Zweiter Aufzug

 

Vorspiel und Erste Szene

Tiefer Wald.
Ganz im Hintergrunde die Öffnung einer Höhle. Der Boden hebt sich bis zur Mitte der Bühne, wo er eine kleine Hochebene bildet; von da senkt er sich nach hinten, der Höhle zu, wieder abwärts, so dass von dieser nur der obere Teil der Öffnung dem Zuschauer sichtbar ist. Links gewahrt man durch Waldbäume eine zerklüftete Felsenwand. - Finstere Nacht, am dichtesten über dem Hintergrunde, wo anfänglich der Blick des Zuschauers gar nichts zu unterscheiden vermag.

 Q 

Alberich

 

ALBERICH

(an der Felsenwand zur Seite gelagert, düster brütend)  

In Wald und Nacht

vor Neidhöhl' halt' ich Wacht:

es lauscht mein Ohr,

mühvoll lugt mein Aug'. -

Banger Tag,

bebst du schon auf?

Dämmerst du dort

durch das Dunkel her?

 
(Aus dem Walde von rechts her erhebt sich ein Sturmwind; ein bläulicher Glanz leuchtet von ebendaher.)
 

 

Welcher Glanz glitzert dort auf?

Näher schimmert

ein heller Schein; -

es rennt wie ein leuchtendes Ross,

bricht durch den Wald

brausend daher. -

Naht schon des Wurmes Würger?

Ist's schon, der Fafner fällt?

 
(Der Sturmwind legt sich wieder; der Glanz verlischt.)
 

 

Das Licht erlischt, -

der Glanz barg sich dem Blick:

Nacht ist's wieder.

 
(Der Wanderer tritt aus dem Wald und hält Alberich gegenüber an.)

<- Wanderer

 

ALBERICH

Wer naht dort schimmernd im Schatten?  

WANDERER

Zur Neidhöhle

fuhr ich bei Nacht: -

wen gewahr' ich im Dunkel dort?

 
(Wie aus einem plötzlich zerreissenden Gewölk bricht Mondschein herein und beleuchtet des Wanderers Gestalt.)
 

ALBERICH

(erkennt den Wanderer, fährt erschrocken zurück, bricht aber sogleich in höchste Wut aus)

Du selbst lässt dich hier sehn?

Was willst du hier?

Fort, aus dem Weg!

Von dannen, schamloser Dieb!

WANDERER

(ruhig)

Schwarz-Alberich,

schweifst du hier?

Hütest du Fafners Haus?

ALBERICH

Jagst du auf neue

Neidtat umher?

Weile nicht hier,

weiche von hinnen!

Genug des Truges

tränkte die Stätte mit Not.

Drum, du Frecher,

lass sie jetzt frei!

WANDERER

Zu schauen kam ich,

nicht zu schaffen:

wer wehrte mir Wand'rers Fahrt?

ALBERICH

(lacht tückisch auf)

Du Rat wütender Ränke!

Wär' ich dir zulieb

doch noch dumm wie damals,

als du mich Blöden bandest,

wie leicht geriet' es,

den Ring mir nochmals zu rauben!

Hab' acht! Deine Kunst

kenne ich wohl;

doch wo du schwach bist,

blieb mir auch nicht verschwiegen.

Mit meinen Schätzen

zahltest du Schulden;

mein Ring lohnte

der Riesen Müh',

die deine Burg dir gebaut.

Was mit den Trotzigen

einst du vertragen,

des Runen wahrt noch heut'

deines Speeres herrischer Schaft.

Nicht du darfst,

was als Zoll du gezahlt,

den Riesen wieder entreissen:

du selbst zerspelltest

deines Speeres Schaft;

in deiner Hand

der herrische Stab,

der starke, zerstiebte wie Spreu!

WANDERER

Durch Vertrages Treuerunen

band er dich

Bösen mir nicht:

dich beugt' er mir durch seine Kraft;

zum Krieg drum wahr' ich ihn wohl!

ALBERICH

Wie stolz du dräust

in trotziger Stärke,

und wie dir's im Busen doch bangt! -

Verfallen dem Tod

durch meinen Fluch

ist des Hortes Hüter: -

wer wird ihn beerben?

Wird der neidliche Hort

dem Niblungen wieder gehören?

Das sehrt dich mit ew'ger Sorge!

Denn fass' ich ihn wieder

einst in der Faust,

anders als dumme Riesen

üb' ich des Ringes Kraft: -

dann zittre der Helden

heiliger Hüter!

Walhalls Höhen

stürm' ich mit Hellas Heer:

der Welt walte dann ich!

WANDERER

(ruhig)

Deinen Sinn kenn' ich wohl;

doch sorgt er mich nicht.

Des Ringes waltet,

wer ihn gewinnt.

ALBERICH

Wie dunkel sprichst du,

was ich deutlich doch weiss!

An Heldensöhne

hält sich dein Trotz,

(höhnisch)

die traut deinem Blute entblüht.

Pflegtest du wohl eines Knaben,

der klug die Frucht dir pflücke,

(immer heftiger)

die du nicht brechen darfst?

WANDERER

Mit mir nicht,

hadre mit Mime:

dein Bruder bringt dir Gefahr;

einen Knaben führt er daher,

der Fafner ihm fällen soll.

Nichts weiss der von mir;

der Niblung nützt ihn für sich.

Drum sag' ich dir, Gesell:

tue frei, wie dir's frommt!

 
(Alberich macht eine Gebärde heftiger Neugierde.)
 

 

Höre mich wohl,

sei auf der Hut!

Nicht kennt der Knabe den Ring;

doch Mime kundet' ihn aus.

ALBERICH

(heftig)

Deine Hand hieltest du vom Hort?

WANDERER

Wen ich liebe,

lass' ich für sich gewähren;

er steh' oder fall',

sein Herr ist er:

Helden nur können mir frommen.

ALBERICH

Mit Mime räng' ich

allein um den Ring?

WANDERER

Ausser dir begehrt er

einzig das Gold.

ALBERICH

Und dennoch gewänn' ich ihn nicht?

WANDERER

(ruhig nähertretend)

Ein Helde naht,

den Hort zu befrei'n;

zwei Niblungen geizen das Gold;

Fafner fällt,

der den Ring bewacht: -

wer ihn rafft, hat ihn gewonnen. -

Willst du noch mehr?

Dort liegt der Wurm:

(er wendet sich nach der Höhle)

warnst du ihn vor dem Tod,

willig wohl liess' er den Tand. -

Ich selber weck' ihn dir auf.

(Er stellt sich auf die Anhöhe vor der Höhle und ruft hinein)

Fafner! Fafner!

Erwache, Wurm!

ALBERICH

(in gespanntem Erstaunen, für sich)

Was beginnt der Wilde?

Gönnt er mir's wirklich?

 
(Aus der finstern Tiefe des Hintergrundes hört man Fafners Stimme durch ein starkes Sprachrohr.)
 

FAFNER

Wer stört mir den Schlaf?  

WANDERER

(der Höhle zugewandt)

Gekommen ist einer,

Not dir zu künden:

er lohnt dir's mit dem Leben,

lohnst du das Leben ihm

mit dem Horte, den du hütest?

(Er beugt sein Ohr lauschend der Höhle zu)

FAFNER
(stimme)

Was will er?

ALBERICH

(ist dem Wanderer zur Seite getreten und ruft in die Höhle)

Wache, Fafner!

Wache, du Wurm!

Ein starker Helde naht,

dich heil'gen will er bestehn.

FAFNER
(stimme)

Mich hungert sein.

WANDERER

Kühn ist des Kindes Kraft,

scharf schneidet sein Schwert.

ALBERICH

Den goldnen Reif

geizt er allein:

lass mir den Ring zum Lohn,

so wend' ich den Streit;

du wahrest den Hort,

und ruhig lebst du lang'!

FAFNER
(stimme)

Ich lieg' und besitz': -

(gähnend)

lasst mich schlafen!

WANDERER

(lacht auf und wendet sich dann wieder zu Alberich)

Nun, Alberich, das schlug fehl.

Doch schilt mich nicht mehr Schelm!

Dies eine, rat' ich,

achte noch wohl:

(vertraulich zum ihm tretend)

Alles ist nach seiner Art:

an ihr wirst du nichts ändern. -

Ich lass' dir die Stätte,

stelle dich fest!

Versuch's mit Mime, dem Bruder:

der Art ja versiehst du dich besser.

(zum Abgange gewendet)

Was anders ist, -

das lerne nun auch!

 
(Er verschwindet im Walde. Sturmwind erhebt sich, heller Glanz bricht aus; dann vergeht beides schnell.)

Wanderer ->

 

ALBERICH

(blickt dem davonjagenden Wanderer nach)  

Da reitet er hin,

auf lichtem Ross;

mich lässt er in Sorg' und Spott.

Doch lacht nur zu,

ihr leichtsinniges,

lustgieriges

Göttergelichter!

Euch seh' ich

noch alle vergehn!

Solang' das Gold

am Lichte glänzt,

hält ein Wissender Wacht: -

Trügen wird euch sein Trotz!

 
(Er schlüpft zur Seite in das Geklüft. Die Bühne bleibt leer. Morgendämmerung.)

Alberich ->

 

Zweite Szene

Bei anbrechendem Tage treten Mime und Siegfried auf. Siegfried trägt das Schwert in einem Gehenke von Bastseil. Mime erspäht genau die Stätte; er forscht endlich dem Hintergrunde zu, welcher - während die Anhöhe im mittleren Vordergrunde später immer heller von der Sonne beleuchtet wird - in finstrem Schatten bleibt; dann bedeutet er Siegfried.

<- Mime, Siegfried

 

MIME

Wir sind zur Stelle!  

Bleib hier stehn!

SIEGFRIED

(setzt sich unter einer grossen Linde nieder und schaut sich um)

Hier soll ich das Fürchten lernen?

Fern hast du mich geleitet:

eine volle Nacht im Walde

selbander wanderten wir.

Nun sollst du, Mime,

mich meiden!

Lern' ich hier nicht,

was ich lernen muss,

allein zieh' ich dann weiter:

dich endlich werd' ich da los!

MIME

(setzt sich ihm gegenüber, so dass er die Höhle immer noch im Auge behält)

Glaube, Liebster!

Lernst du heut' und hier

das Fürchten nicht,

an andrem Ort,

zu andrer Zeit

schwerlich erfährst du's je. -

Siehst du dort

den dunklen Höhlenschlund?

Darin wohnt

ein greulich wilder Wurm:

unmassen grimmig

ist er und gross;

ein schrecklicher Rachen

reisst sich ihm auf;

mit Haut und Haar

auf einen Happ

verschlingt der Schlimme dich wohl.

SIEGFRIED

(immer unter der Linde sitzend)

Gut ist's, den Schlund ihm zu schliessen:

drum biet' ich mich nicht dem Gebiss.

MIME

Giftig giesst sich

ein Geifer ihm aus:

wen mit des Speichels

Schweiss er bespeit,

dem schwinden wohl Fleisch und Gebein.

SIEGFRIED

Dass des Geifers Gift mich nicht sehre,

weich' ich zur Seite dem Wurm.

MIME

Ein Schlangenschweif

schlägt sich ihm auf:

wen er damit umschlingt

und fest umschliesst,

dem brechen die Glieder wie Glas!

SIEGFRIED

Vor des Schweifes Schwang mich zu wahren,

halt' ich den Argen im Aug'. -

Doch heisse mich das:

hat der Wurm ein Herz?

MIME

Ein grimmiges, hartes Herz!

SIEGFRIED

Das sitzt ihm doch,

wo es jedem schlägt,

trag' es Mann oder Tier?

MIME

Gewiss, Knabe,

da führt's auch der Wurm.

Jetzt kommt dir das Fürchten wohl an?

SIEGFRIED

(bisher nachlässig ausgestreckt, erhebt sich rasch zum Sitz)

Notung stoss' ich

dem Stolzen ins Herz!

Soll das etwa Fürchten heissen?

He, du Alter!

Ist das alles,

was deine List

mich lehren kann?

Fahr' deines Wegs dann weiter;

das Fürchten lern' ich hier nicht.

MIME

Wart' es nur ab!

Was ich dir sage,

dünke dich tauber Schall:

ihn selber musst du

hören und sehn,

die Sinne vergehn dir dann schon!

Wenn dein Blick verschwimmt,

der Boden dir schwankt,

im Busen bang

dein Herz erbebt:

(sehr freundlich)

dann dankst du mir, der dich führte,

gedenkst, wie Mime dich liebt.

SIEGFRIED

Du sollst mich nicht lieben!

Sagt' ich dir's nicht?

Fort aus den Augen mir!

Lass mich allein:

sonst halt' ich's hier länger nicht aus,

fängst du von Liebe gar an!

Das eklige Nicken

und Augenzwicken,

wann endlich soll ich's

nicht mehr sehn,

wann werd' ich den Albernen los?

MIME

Ich lass' dich schon.

Am Quell dort lagr' ich mich;

steh' du nur hier;

steigt dann die Sonne zur Höh',

merk' auf den Wurm:

aus der Höhle wälzt er sich her,

hier vorbei

biegt er dann,

am Brunnen sich zu tränken.

SIEGFRIED

(lachend)

Mime, weilst du am Quell,

dahin lass' ich den Wurm wohl gehn:

Notung stoss' ich

ihm erst in die Nieren,

wenn er dich selbst dort

mit weggesoffen.

Darum, hör' meinen Rat,

raste nicht dort am Quell;

kehre dich weg,

so weit du kannst,

und komm' nie mehr zu mir!

MIME

Nach freislichem Streit

dich zu erfrischen,

wirst du mir wohl nicht wehren?

 
(Siegfried wehrt ihn hastig ab.)
 

 

Rufe mich auch,

darbst du des Rates, -

 
(Siegfried wiederholt die Gebärde mit Ungestüm.)
 

 

oder wenn dir das Fürchten gefällt.

 
(Siegfried erhebt sich und treibt Mime mit wütender Gebärde zum Fortgehen.)
 

 

(im Abgehen für sich)

Fafner und Siegfried -

Siegfried und Fafner -

O brächten beide sich um!

(Er verschwindet rechts im Wald)

Mime ->

 

SIEGFRIED

(streckt sich behaglich unter der Linde aus und blickt dem davongehenden Mime nach)  

Dass der mein Vater nicht ist,

wie fühl' ich mich drob so froh!

Nun erst gefällt mir

der frische Wald;

nun erst lacht mir

der lustige Tag,

da der Garstige von mir schied

und ich gar nicht ihn wiederseh'!

(Er verfällt in schweigendes Sinnen)

Wie sah mein Vater wohl aus? -

Ha, gewiss wie ich selbst!

Denn wär' wo von Mime ein Sohn,

müsst' er nicht ganz

Mime gleichen?

Grade so garstig,

griesig und grau,

klein und krumm,

höckrig und kinkend,

mit hängenden Ohren,

triefigen Augen

fort mit dem Alp!

Ich mag ihn nicht mehr seh'n.

 
(Er lehnt sich tiefer zurück und blickt durch die Baumwipfel auf. Tiefe Stille. Waldweben.)
 

 

Aber - wie sah

meine Mutter wohl aus?

Das kann ich

nun gar nicht mir denken! -

Der Rehhindin gleich

glänzten gewiss

ihr hell schimmernde Augen,

nur noch viel schöner! -

Da bang sie mich geboren,

warum aber starb sie da?

Sterben die Menschenmütter

an ihren Söhnen

alle dahin? -

Traurig wäre das, traun!

Ach, möcht' ich Sohn

meine Mutter sehen! -

Meine Mutter -

ein Menschenweib!

 
(Er seufzt leise und streckt sich tiefer zurück. Grosse Stille. - Wachsendes Waldweben. Siegfrieds Aufmerksamkeit wird endlich durch den Gesang der Waldvögel gefesselt. Er lauscht mit wachsender Teilnahme einem Waldvogel in den Zweigen über ihm.)
 

 

Du holdes Vöglein!  

Dich hört' ich noch nie:

bist du im Wald hier daheim? -

Verstünd' ich sein süsses Stammeln!

Gewiss sagt' es mir was, -

vielleicht von der lieben Mutter?

Ein zankender Zwerg

hat mir erzählt,

der Vöglein Stammeln

gut zu verstehn,

dazu könnte man kommen.

Wie das wohl möglich wär'? -

(Er sinnt nach. Sein Blick fällt auf ein Rohrgebüsch unweit der Linde)

Hei! Ich versuch's;

sing' ihm nach:

auf dem Rohr tön' ich ihm ähnlich!

Entrat' ich der Worte,

achte der Weise,

sing' ich so seine Sprache,

versteh' ich wohl auch, was es spricht.

(Er eilt an den nahen Quell, schneidet mit dem Schwerte ein Rohr ab und schnitzt sich hastig eine Pfeife daraus. Währenddem lauscht er wieder)

Es schweigt und lauscht: -

so schwatz' ich denn los!

(Er bläst auf dem Rohr. Er setzt ab, schnitzt wieder und bessert. Er bläst wieder. Er schüttelt mit dem Kopfe und bessert wieder. Er wird ärgerlich, drückt das Rohr mit der Hand und versucht wieder. Er setzt lächelnd ganz ab)

Das tönt nicht recht;

auf dem Rohre taugt

die wonnige Weise mir nicht. -

Vöglein, mich dünkt,

ich bleibe dumm:

von dir lernt sich's nicht leicht! -

(Er hört den Vogel wieder und blickt zu ihm auf)

Nun schäm' ich mich gar

vor dem schelmischen Lauscher:

er lugt und kann nichts erlauschen. -

Heida! So höre

nun auf mein Horn.

(Er schwingt das Rohr und wirft es weit fort)

Auf dem dummen Rohre

gerät mir nichts. -

Einer Waldweise,

wie ich sie kann,

der lustigen sollst du nun lauschen.

Nach liebem Gesellen

lockt' ich mit ihr:

nichts Bessres kam noch

als Wolf und Bär.

Nun lass mich sehn,

wen jetzt sie mir lockt:

ob das mir ein lieber Gesell?

 
(Er nimmt das silberne Hifthorn und bläst darauf. Im Hintergrunde regt es sich. - Fafner, in der Gestalt eines ungeheuren eidechsenartigen Schlangenwurmes, hat sich in der Höhle von seinem Lager erhoben; er bricht durch das Gesträuch und wälzt sich aus der Tiefe nach der höheren Stelle vor, so dass er mit dem Vorderleibe bereits auf ihr angelangt ist, als er jetzt einen starken, gähnenden Laut ausstösst.)

<- Fafner

 

SIEGFRIED

(sieht sich um und heftet den Blick verwundert auf Fafner)  

Haha! Da hätte mein Lied

mir was Liebes erblasen!

Du wärst mir ein saub'rer Gesell!

FAFNER

(hat beim Anblick Siegfrieds auf der Höhe angehalten und verweilt nun daselbst)

Was ist da?

SIEGFRIED

Ei, bist du ein Tier,

das zum Sprechen taugt,

wohl liess' sich von dir was lernen?

Hier kennt einer

das Fürchten nicht:

kann er's von dir erfahren?

FAFNER

Hast du Übermut?

SIEGFRIED

Mut oder Übermut -

was weiss ich!

Doch dir fahr' ich zu Leibe,

lehrst du das Fürchten mich nicht!

FAFNER

(stösst einen lachenden Laut aus)

Trinken wollt' ich:

nun treff' ich auch Frass!

(Er öffnet seinen Rachen und zeigt die Zähne)

SIEGFRIED

Eine zierliche Fresse

zeigst du mir da,

lachende Zähne

im Leckermaul!

Gut wär' es, den Schlund dir zu schliessen;

dein Rachen reckt sich zu weit!

FAFNER

Zu tauben Reden

taugt er schlecht:

dich zu verschlingen,

frommt der Schlund.

(Er droht mit dem Schweife)

SIEGFRIED

Hoho! Du grausam

grimmiger Kerl!

Von dir verdaut sein,

dünkt mich übel:

rätlich und fromm doch scheint's,

du verrecktest hier ohne Frist.

FAFNER

(brüllend)

Pruh! Komm,

prahlendes Kind!

SIEGFRIED

Hab' acht, Brüller!

Der Prahler naht!

 
(Er zieht sein Schwert, springt Fafner an und bleibt herausfordernd stehen. Fafner wälzt sich weiter auf die Höhe herauf und sprüht aus den Nüstern auf Siegfried. Dieser weicht dem Geifer aus, springt näher zu und stellt sich zur Seite. Fafner sucht ihn mit dem Schweife zu erreichen. Siegfried, welchen Fafner fast erreicht hat, springt mit einem Satze über diesen hinweg und verwundet ihn an dem Schweife. Fafner brüllt, zieht den Schweif heftig zurück und bäumt den Vorderleib, um mit dessen voller Wucht sich auf Siegfried zu werfen; so bietet er diesem die Brust dar; Siegfried erspäht schnell die Stelle des Herzens und stösst sein Schwert bis an das Heft hinein. Fafner bäumt sich vor Schmerz noch höher und sinkt, als Siegfried das Schwert losgelassen und zur Seite gesprungen ist, auf die Wunde zusammen.)
 

SIEGFRIED

Da lieg', neidischer Kerl!  

Notung trägst du im Herzen.

FAFNER

(mit schwächerer Stimme)

Wer bist du, kühner Knabe,

der das Herz mir traf?

Wer reizte des Kindes Mut

zu der mordlichen Tat?

Dein Hirn brütete nicht,

was du vollbracht.

SIEGFRIED

Viel weiss ich noch nicht,

noch nicht auch, wer ich bin.

Mit dir mordlich zu ringen,

reiztest du selbst meinen Mut.

FAFNER

Du helläugiger Knabe,

unkund deiner selbst,

wen du gemordet

meld' ich dir.

Der Riesen ragend Geschlecht,

Fasolt und Fafner,

die Brüder - fielen nun beide.

Um verfluchtes Gold,

von Göttern vergabt,

traf ich Fasolt zu Tod:

der nun als Wurm

den Hort bewachte,

Fafner, den letzten Riesen,

fällte ein rosiger Held. -

Blicke nun hell,

blühender Knabe:

der dich Blinden reizte zur Tat,

berät jetzt des Blühenden Tod!

(ersterbend)

Merk', wie's endet! -

Acht' auf mich!

SIEGFRIED

Woher ich stamme,

rate mir noch;

weise ja scheinst du,

Wilder, im Sterben:

rat' es nach meinem Namen: -

Siegfried bin ich genannt.

FAFNER

Siegfried!...

(Er seufzt, hebt sich und stirbt)

 

SIEGFRIED

Zur Kunde taugt kein Toter. -

So leite mich denn

mein lebendes Schwert!

 
(Fafner hat sich im Sterben zur Seite gewälzt. Siegfried zieht ihm jetzt das Schwert aus der Brust: dabei wird seine Hand vom Blute benetzt: er fährt heftig mit der Hand auf.)
 

 

Wie Feuer brennt das Blut!

 
(Er führt unwillkürlich die Finger zum Munde, um das Blut von ihnen abzusaugen. Wie er sinnend vor sich hinblickt, wird seine Aufmerksamkeit immer mehr von dem Gesange der Waldvögel angezogen.)

<- Vogel

 

SIEGFRIED

Ist mir doch fast,  

als sprächen die Vöglein zu mir!

Nützte mir das

des Blutes Genuss?

Das seltne Vöglein hier,

horch, was singt es nur?

 

STIMME EINES WALDVOGELS

(aus den Zweigen der Linde über Siegfried)  

Hei! Siegfried gehört

nun der Niblungen Hort!

O, fänd' in der Höhle

den Hort er jetzt!

Wollt' er den Tarnhelm gewinnen,

der taugt' ihm zu wonniger Tat:

doch möcht' er den Ring sich erraten,

der macht' ihn zum Walter der Welt!

Sfondo schermo () ()

 

SIEGFRIED

(hat mit verhaltenem Atem und verzückter Miene gelauscht)  

Dank, liebes Vöglein,

für deinen Rat!

Gern folg' ich dem Ruf!

(Er wendet sich nach hinten und steigt in die Höhle hinab, wo er alsbald gänzlich verschwindet)

Siegfried ->

 

Dritte Szene

Mime schleicht heran, scheu umherblickend, um sich von Fafners Tod zu überzeugen. - Gleichzeitig kommt von der anderen Seite Alberich aus dem Geklüft; er beobachtet Mime genau. Als dieser Siegfried nicht mehr gewahrt und vorsichtig sich nach hinten der Höhle zuwendet, stürzt Alberich auf ihn zu und vertritt ihm den Weg.

<- Mime, Alberich

 

ALBERICH

Wohin schleichst du  

eilig und schlau,

schlimmer Gesell?

MIME

Verfluchter Bruder,

dich braucht' ich hier!

Was bringt dich her?

ALBERICH

Geizt es dich, Schelm,

nach meinem Gold?

Verlangst du mein Gut?

MIME

Fort von der Stelle!

Die Stätte ist mein:

was stöberst du hier?

ALBERICH

Stör' ich dich wohl

im stillen Geschäft,

wenn du hier stiehlst?

MIME

Was ich erschwang

mit schwerer Müh',

soll mir nicht schwinden.

ALBERICH

Hast du dem Rhein

das Gold zum Ringe geraubt?

Erzeugtest du gar

den zähen Zauber im Reif?

MIME

Wer schuf den Tarnhelm,

der die Gestalten tauscht?

Der seiner bedurfte,

erdachtest du ihn wohl?

ALBERICH

Was hättest du Stümper

je wohl zu stampfen verstanden?

Der Zauberring

zwang mir den Zwerg erst zur Kunst.

MIME

Wo hast du den Ring?

Dir Zagem entrissen ihn Riesen!

Was du verlorst,

meine List erlangt es für mich.

ALBERICH

Mit des Knaben Tat

will der Knicker nun knausern?

Dir gehört sie gar nicht,

der Helle ist selbst ihr Herr!

MIME

Ich zog ihn auf;

für die Zucht zahlt er mir nun:

für Müh' und Last

erlauert' ich lang meinen Lohn!

ALBERICH

Für des Knaben Zucht

will der knickrige

schäbige Knecht

keck und kühn

wohl gar König nun sein?

Dem räudigsten Hund

wäre der Ring

geratner als dir:

nimmer erringst

du Rüpel den Herrscherreif!

MIME

(kratzt sich den Kopf)

Behalt' ihn denn:

und hüt' ihn wohl,

den hellen Reif!

Sei du Herr:

doch mich heisse auch Bruder!

Um meines Tarnhelms

lustigen Tand

tausch' ich ihn dir:

uns beiden taugt's,

teilen die Beute wir so.

(Er reibt sich zutraulich die Hände)

ALBERICH

(mit Hohnlachen)

Teilen mit dir?

Und den Tarnhelm gar?

Wie schlau du bist!

Sicher schlief' ich

niemals vor deinen Schlingen!

MIME

(ausser sich)

Selbst nicht tauschen?

Auch nicht teilen?

Leer soll ich gehn?

Ganz ohne Lohn?

(kreischend)

Gar nichts willst du mir lassen?

ALBERICH

Nichts von allem!

Nicht einen Nagel

sollst du dir nehmen!

MIME

(in höchster Wut)

Weder Ring noch Tarnhelm

soll dir denn taugen!

Nicht teil' ich nun mehr!

Gegen dich doch ruf' ich

Siegfried zu Rat

und des Recken Schwert;

der rasche Held,

der richte, Brüderchen, dich!

 
(Siegfried erscheint im Hintergrund)

<- Siegfried

 

ALBERICH

Kehre dich um!  

Aus der Höhle kommt er daher!

MIME

(sich umblickend)

Kindischen Tand

erkor er gewiss. -

ALBERICH

Den Tarnhelm hält er!

MIME

Doch auch den Ring!

ALBERICH

Verflucht! - Den Ring! -

MIME

(hämisch lachend)

Lass ihn den Ring dir doch geben!

Ich will ihn mir schon gewinnen.

(Er schlüpft mit den letzten Worten in den Wald zurück)

Mime ->

 

ALBERICH

Und doch seinem Herrn

soll er allein noch gehören!

(Er verschwindet im Geklüfte)

Alberich ->

 
(Siegfried ist mit Tarnhelm und Ring während des letzteren langsam und sinnend aus der Höhle vorgeschritten: er betrachtet gedankenvoll seine Beute und hält, nahe dem Baume, auf der Höhe des Mittelgrundes wieder an)
 

SIEGFRIED

Was ihr mir nützt,  

weiss ich nicht;

doch nahm ich euch

aus des Horts gehäuftem Gold,

weil guter Rat mir es riet.

So taug' eure Zier

als des Tages Zeuge,

es mahne der Tand,

dass ich kämpfend Fafner erlegt,

doch das Fürchten noch nicht gelernt!

(Er steckt den Tarnhelm sich in den Gürtel und den Reif an den Finger. - Stillschweigen. - Wachsendes Waldweben. - Siegfried achtet unwillkürlich wieder des Vogels und lauscht ihm mit verhaltenem Atem)

 

STIMME DES WALDVOGELS

Hei! Siegfried gehört  

nun der Helm und der Ring!

O, traute er Mime,

dem treulosen, nicht!

Hörte Siegfried nur scharf

auf des Schelmen Heuchlergered'!

Wie sein Herz es meint,

kann er Mime verstehn:

so nützt' ihm des Blutes Genuss.

 
(Siegfrieds Miene und Gebärde drücken aus, dass er den Sinn des Vogelgesanges wohl vernommen. Er sieht Mime sich nähern und bleibt, ohne sich zu rühren, auf sein Schwert gestützt, beobachtend und in sich geschlossen, in seiner Stellung auf der Anhöhe bis zum Schlusse des folgenden Auftrittes)

<- Mime

 

MIME

(schleicht heran und beobachtet vom Vordergrunde aus Siegfried)  

Er sinnt und erwägt

der Beute Wert: -

weilte wohl hier

ein weiser Wand'rer,

schweifte umher,

beschwatzte das Kind

mit list'ger Runen Rat?

Zwiefach schlau

sei nun der Zwerg;

die listigste Schlinge

leg' ich jetzt aus,

dass ich mit traulichem

Truggerede

betöre das trotzige Kind.

(er tritt näher an Siegfried heran und bewillkommt diesen mit schmeichelnden Gebärden)

Willkommen, Siegfried!

Sag', du Kühner,

hast du das Fürchten gelernt?

SIEGFRIED

Den Lehrer fand ich noch nicht!

MIME

Doch den Schlangenwurm,

du hast ihn erschlagen?

Das war doch ein schlimmer Gesell?

SIEGFRIED

So grimm und tückisch er war,

sein Tod grämt mich doch schier,

da viel üblere Schächer

unerschlagen noch leben!

Der mich ihn morden hiess,

den hass' ich mehr als den Wurm!

MIME

(sehr freundlich)

Nur sachte! Nicht lange

siehst du mich mehr:

zum ew'gen Schlaf

schliess' ich dir die Augen bald!

Wozu ich dich brauchte,

(zärtlich)

hast du vollbracht;

jetzt will ich nur noch

die Beute dir abgewinnen.

Mich dünkt, das soll mir gelingen;

zu betören bist du ja leicht!

SIEGFRIED

So sinnst du auf meinen Schaden?

MIME

(verwundert)

Wie sagt' ich denn das? -

Siegfried! Hör doch, mein Söhnchen!

Dich und deine Art

hasst' ich immer von Herzen;

(zärtlich)

aus Liebe erzog ich

dich Lästigen nicht:

dem Horte in Fafners Hut,

dem Golde galt meine Müh'.

(als verspräche er ihm hübsche Sachen)

Gibst du mir das

gutwillig nun nicht, -

(als wäre er bereit, sein Leben für ihn zu lassen)

Siegfried, mein Sohn,

das siehst du wohl selbst,

(mit freundlichem Scherze)

dein Leben musst du mir lassen!

SIEGFRIED

Dass du mich hassest,

hör' ich gern:

doch auch mein Leben muss ich dir lassen?

MIME

(ärgerlich)

Das sagt' ich doch nicht?

Du verstehst mich ja falsch! -

(Er sucht sein Fläschchen hervor. - Er gibt sich die ersichtlichste Mühe zur Verstellung)

Sieh', du bist müde

von harter Müh';

brünstig wohl brennt dir der Leib:

dich zu erquicken

mit queckem Trank

säumt' ich Sorgender nicht.

Als dein Schwert du dir branntest,

braut' ich den Sud;

trinkst du nun den,

gewinn' ich dein trautes Schwert,

und mit ihm Helm und Hort.

(er kichert dazu)

SIEGFRIED

So willst du mein Schwert

und was ich erschwungen,

Ring und Beute, mir rauben?

MIME

(heftig)

Was du doch falsch mich verstehst!

Stamml' ich, fasl' ich wohl gar?

Die grösste Mühe

geb' ich mir doch,

mein heimliches Sinnen

heuchelnd zu bergen,

und du dummer Bube

deutest alles doch falsch!

Öffne die Ohren,

und vernimm genau:

Höre, was Mime meint! -

(wieder sehr freundlich, mit ersichtlicher Mühe)

Hier nimm und trinke die Labung!

Mein Trank labte dich oft:

tat'st du wohl unwirsch,

stelltest dich arg:

was ich dir bot, -

erbost auch - nahmst du's doch immer.

SIEGFRIED

(ohne eine Miene zu verziehen)

Einen guten Trank

hätt' ich gern:

wie hast du diesen gebraut?

MIME

(lustig scherzend, als schildere er ihm einen angenehm berauschten Zustand, den ihm der Saft bereiten soll)

Hei! So trink nur,

trau' meiner Kunst!

In Nacht und Nebel

sinken die Sinne dir bald:

ohne Wach' und Wissen

stracks streckst du die Glieder.

Liegst du nun da,

leicht könnt' ich

die Beute nehmen und bergen:

doch erwachtest du je,

nirgends wär' ich

sicher vor dir,

hätt' ich selbst auch den Ring.

Drum mit dem Schwert,

das so scharf du schufst,

(mit einer Gebärde ausgelassener Lustigkeit)

hau' ich dem Kind

den Kopf erst ab:

dann hab' ich mir Ruh' und auch den Ring!

(Er kichert wieder)

SIEGFRIED

Im Schlafe willst du mich morden?

MIME

(wütend ärgerlich)

Was möcht' ich? Sagt' ich denn das?

(Er bemüht sich, den zärtlichsten Ton anzunehmen)

Ich will dem Kind

(mit sorglichster Deutlichkeit)

nur den Kopf abhau'n!

(mit dem Ausdruck herzlicher Besorgtheit für Siegfrieds Gesundheit)

Denn hasste ich dich

auch nicht so sehr,

und hätt' ich des Schimpfs

und der schändlichen Mühe

auch nicht so viel zu rächen:

(sanft)

aus dem Wege dich zu räumen,

darf ich doch nicht rasten:

wie käm' ich sonst anders zur Beute,

da Alberich auch nach ihr lugt?

(Er giesst den Saft in das Trinkhorn und führt dieses Siegfried mit aufdringlicher Gebärde zu)

Nun, mein Wälsung!

Wolfssohn du!

Sauf', und würg' dich zu Tod:

Nie tust du mehr 'nen Schluck!

 
(Siegfried holt mit dem Schwert aus. Er führt, wie in einer Anwandlung heftigen Ekels einen jähen Streich nach Mime; dieser stürzt sogleich tot zu Boden. Man hört Alberichs höhnisches Gelächter aus dem Geklüfte.)
 

SIEGFRIED

Schmeck' du mein Schwert,

ekliger Schwätzer!

(Er henkt, auf den am Boden Liegenden blickend, ruhig sein Schwert wieder ein)

Neides Zoll

zahlt Notung:

dazu durft' ich ihn schmieden.

 
(Er rafft Mimes Leichnam auf, trägt ihn auf die Anhöhe vor den Eingang der Höhle und wirft ihn dort hinein.)

Mime ->

 

 

In der Höhle hier  

lieg' auf dem Hort!

Mit zäher List

erzieltest du ihn:

jetzt magst du des wonnigen walten! -

Einen guten Wächter

geb' ich dir auch,

dass er vor Dieben dich deckt.

(Er wälzt mit grosser Anstrengung den Leichnam des Wurmes vor den Eingang der Höhle, so dass er diesen ganz damit verstopft)

Da lieg' auch du,

dunkler Wurm!

Den gleissenden Hort

hüte zugleich

mit dem beuterührigen Feind:

so fandet beide ihr nun Ruh'!

(Er blickt eine Weile sinnend in die Höhle hinab und wendet sich dann langsam, wie ermüdet, in den Vordergrund. Es ist Mittag. Er führt sich die Hand über die Stirn)

Heiss ward mir

von der harten Last!

Brausend jagt

mein brünst'ges Blut;

die Hand brennt mir am Haupt. -

Hoch steht schon die Sonne:

aus lichtem Blau

blickt ihr Aug'

auf den Scheitel steil mir herab. -

Linde Kühlung

erkies' ich unter der Linde!

(Er streckt sich unter der Linde aus und blickt wieder die Zweige hinauf)

Noch einmal, liebes Vöglein, -

da wir so lang

lästig gestört, -

lauscht' ich gerne deinem Sange:

auf dem Zweige seh' ich

wohlig dich wiegen;

zwitschernd umschwirren

dich Brüder und Schwestern,

umschweben dich lustig und lieb!

Doch ich - bin so allein,

hab' nicht Brüder noch Schwestern:

meine Mutter schwand,

mein Vater fiel:

nie sah sie der Sohn!

Mein einz'ger Gesell

war ein garstiger Zwerg;

Güte zwang

uns nie zu Liebe;

listige Schlingen

warf mir der Schlaue;

nun musst' ich ihn gar erschlagen!

(Er blickt schmerzlich bewegt wieder nach den Zweigen auf)

Freundliches Vöglein,

dich frage ich nun:

gönntest du mir

wohl ein gut Gesell?

Willst du mir das Rechte raten?

Ich lockte so oft,

und erlost' es mir nie:

Du, mein Trauter,

träfst es wohl besser,

so recht ja rietest du schon.

Nun sing'! Ich lausche dem Gesang.

 

STIMME DES WALDVOGELS

Hei! Siegfried erschlug  

nun den schlimmen Zwerg!

Jetzt wüsst' ich ihm noch

das herrlichste Weib:

auf hohem Felsen sie schläft,

Feuer umbrennt ihren Saal:

durchschritt' er die Brunst,

weckt' er die Braut,

Brünnhilde wäre dann sein!

 

SIEGFRIED

(fährt mit jäher Heftigkeit vom Sitze auf)  

O holder Sang!

Süssester Hauch!

Wie brennt sein Sinn

mir sehrend die Brust!

Wie zückt er heftig

zündend mein Herz!

Was jagt mir so jach

durch Herz und Sinne?

Sag' es mir, süsser Freund!

(er lauscht)

 

STIMME DES WALDVOGELS

Lustig im Leid

sing' ich von Liebe;

wonnig aus Weh

web' ich mein Lied:

nur Sehnende kennen den Sinn!

 

SIEGFRIED

Fort jagt mich's

jauchzend von hinnen,

fort aus dem Wald auf den Fels! -

Noch einmal sage mir,

holder Sänger:

werd' ich das Feuer durchbrechen?

Kann ich erwecken die Braut?

 
(Siegfried lauscht noch mal.)
 

STIMME DES WALDVOGELS

Die Braut gewinnt,

Brünnhilde erweckt

ein Feiger nie:

nur wer das Fürchten nicht kennt!

 

SIEGFRIED

(lacht auf vor Entzücken)  

Der dumme Knab',

der das Fürchten nicht kennt,

mein Vöglein, der bin ja ich!

Noch heute gab ich

vergebens mir Müh,

das Fürchten von Fafner zu lernen:

nun brenn' ich vor Lust,

es von Brünnhilde zu wissen!

Wie find' ich zum Felsen den Weg?

 
(Der Vogel flattert auf, kreist über Siegfried und fliegt ihm zögernd voran.)
 

 

(jauchzend)

So wird mir der Weg gewiesen:

wohin du flatterst

folg' ich dem Flug!

 
(Er läuft dem Vogel, welcher ihn neckend einige Zeitlang unstet nach verschiedenen Richtungen hinleitet, nach und folgt ihm endlich, als dieser mit einer bestimmten Wendung nach dem Hintergrunde davonfliegt.)

Vogel, Siegfried ->

 

Ende (Zweiter Aufzug)

Erster Aufzug Zweiter Aufzug Dritter Aufzug

Tiefer Wald. Ganz im Hintergrunde die Öffnung einer Höhle. Der Boden hebt sich bis zur Mitte der Bühne, wo er eine kleine Hochebene bildet; von da senkt er sich nach hinten, der Höhle zu, wieder abwärts, so dass von dieser nur der obere Teil der Öffnung dem Zuschauer sichtbar ist. Links gewahrt man durch Waldbäume eine zerklüftete Felsenwand. Finstere Nacht, am dichtesten über dem Hintergrunde, wo anfänglich der Blick des Zuschauers gar nichts zu unterscheiden vermag.

Alberich
 

In Wald und Nacht

Alberich
<- Wanderer

Wer naht dort schimmernd im Schatten?

(Wie aus einem plötzlich zerreissenden Gewölk bricht Mondschein herein und beleuchtet des Wanderers Gestalt.)

(Aus der finstern Tiefe des Hintergrundes hört man Fafners Stimme durch ein starkes Sprachrohr.)

Wer stört mir den Schlaf?

Alberich
Wanderer ->

(Sturmwind erhebt sich, heller Glanz bricht aus; dann vergeht beides schnell.)

Da reitet er hin

Alberich ->

(Morgendämmerung.)

<- Mime, Siegfried

Wir sind zur Stelle!

Siegfried
Mime ->

Dass der mein Vater nicht ist

(Tiefe Stille. Waldweben.)

(Wachsendes Waldweben.)

Du holdes Vöglein!

(Fafner, in der Gestalt eines ungeheuren eidechsenartigen Schlangenwurmes, hat sich in der Höhle von seinem Lager erhoben.)

Siegfried
<- Fafner

Haha! Da hätte mein Lied

(Siegfried, welchen Fafner fast erreicht hat, springt mit einem Satze über diesen hinweg und verwundet ihn an dem Schweife. Fafner brüllt, zieht den Schweif heftig zurück und bäumt den Vorderleib, um mit dessen voller Wucht sich auf Siegfried zu werfen; so bietet er diesem die Brust dar; Siegfried erspäht schnell die Stelle des Herzens und stösst sein Schwert bis an das Heft hinein.)

Da lieg', neidischer Kerl!

(Fafner seufzt, hebt sich und stirbt.)

Siegfried, Fafner
<- Vogel

Ist mir doch fast

Stimme eines Waldvogels
Hei! Siegfried gehört

Dank, liebes Vöglein

Fafner, Vogel
Siegfried ->
Fafner, Vogel
<- Mime, Alberich

Wohin schleichst du

Fafner, Vogel, Mime, Alberich
<- Siegfried

Kehre dich um!

Fafner, Vogel, Alberich, Siegfried
Mime ->

Fafner, Vogel, Siegfried
Alberich ->

Was ihr mir nützt

Stimme des Waldvogels
Hei! Siegfried gehört
Fafner, Vogel, Siegfried
<- Mime

Er sinnt und erwägt

(Siegfried führt, wie in einer Anwandlung heftigen Ekels einen jähen Streich nach Mime; dieser stürzt sogleich tot zu Boden.)

Fafner, Vogel, Siegfried
Mime ->

In der Höhle hier

Stimme des Waldvogels
Hei! Siegfried erschlug

O holder Sang!

 

 

Der dumme Knab'

(Der Vogel flattert auf, kreist über Siegfried und fliegt ihm zögernd voran.)

Fafner
Vogel, Siegfried ->
 
Vorspiel und Erste Szene Zweite Szene Dritte Szene
Wald. Den Vordergrund bildet ein Teil einer Felsenhöhle, die sich links tiefer nach innen zieht, nach rechts... Tiefer Wald. Ganz im Hintergrunde die Öffnung einer Höhle. Der Boden hebt sich bis zur Mitte der Bühne, wo... Wilde Gegend. Am Fusse eines Felsenberges, welcher links nach hinten steil aufsteigt. Nacht. Ganz die gleiche Szene wie im dritten Aufzug der "Walküre".
Erster Aufzug Dritter Aufzug

• • •

Text PDF Vermindert