Erster Aufzug

 

Vorspiel und Erste Szene

Wald.
Den Vordergrund bildet ein Teil einer Felsenhöhle, die sich links tiefer nach innen zieht, nach rechts aber gegen drei Vierteile der Bühne einnimmt. Zwei natürlich gebildete Eingänge stehen dem Walde zu offen: der eine nach rechts, unmittelbar im Hintergrunde, der andere, breitere, ebenda seitwärts. An der Hinterwand, nach links zu, steht ein grosser Schmiedeherd, aus Felsstücken natürlich geformt; künstlich ist nur der grosse Blasebalg: die rohe Esse geht - ebenfalls natürlich - durch das Felsendach hinauf. Ein sehr grosser Amboss und andre Schmiedegerätschaften.

 Q 

Mime

 

MIME

(sitzt, als der Vorhang nach einem kurzen Orchestervorspiel aufgeht, am Ambosse und hämmert mit wachsender Unruhe an einem Schwerte: endlich hält er unmutig ein)  

Zwangvolle Plage!

Müh' ohne Zweck!

Das beste Schwert,

das je ich geschweisst,

in der Riesen Fäusten

hielte es fest;

doch dem ich's geschmiedet,

der schmähliche Knabe,

er knickt und schmeisst es entzwei,

als schüf' ich Kindergeschmeid! -

(Mime wirft das Schwert unmutig auf den Amboss, stemmt die Arme ein und blickt sinnend zu Boden)

Es gibt ein Schwert,

das er nicht zerschwänge:

Notungs Trümmer

zertrotzt' er mir nicht,

könnt' ich die starken

Stücke schweissen,

die meine Kunst

nicht zu kitten weiss!

Könnt' ich's dem Kühnen schmieden,

meiner Schmach erlangt' ich da Lohn! -

(Er sinkt tiefer zurück und neigt sinnend das Haupt)

Fafner, der wilde Wurm,

lagert im finstren Wald;

mit des furchtbaren Leibes Wucht

der Niblungen Hort

hütet er dort.

Siegfrieds kindischer Kraft

erläge wohl Fafners Leib:

des Niblungen Ring

erränge er mir.

Nur ein Schwert taugt zu der Tat;

nur Notung nützt meinem Neid,

wenn Siegfried sehrend ihn schwingt: -

und ich kann's nicht schweissen,

Notung, das Schwert! -

(Er hat das Schwert wieder zurechtgelegt und hämmert in höchstem Unmut daran weiter)

Zwangvolle Plage!

Müh' ohne Zweck!

Das beste Schwert,

das je ich geschweisst,

nie taugt es je

zu der einzigen Tat!

Ich tappre und hämmre nur,

weil der Knabe es heischt:

er knickt und schmeisst es entzwei,

und schmäht doch, schmied' ich ihm nicht!

(Er lässt den Hammer fallen)

 
(Siegfried, in wilder Waldkleidung, mit einem silbernen Horn an einer Kette, kommt mit jähem Ungestüm aus dem Walde herein; er hat einen grossen Bären mit einen Bastseile gezäumt und treibt diesen mit lustigem Übermute gegen Mime an.)

<- Siegfried

 

SIEGFRIED

Hoiho! Hoiho!  

Hau' ein! Hau' ein!

Friss ihn! Friss ihn,

Den Fratzenschmied!

(Er lacht unbändig.)

 
(Mimen entsinkt vor Schreck das Schwert; er flüchtet hinter den Herd; Siegfried treibt ihm den Bären überall nach.)
 

MIME

Fort mit dem Tier!

Was taugt mir der Bär?

SIEGFRIED

Zu zwei komm ich,

dich besser zu zwicken:

Brauner, frag' nach dem Schwert!

MIME

He! Lass das Wild!

Dort liegt die Waffe:

fertig fegt' ich sie heut'.

SIEGFRIED

So fährst du heute noch heil!

(Er löst dem Bären den Zaum und gibt ihm damit einen Schlag auf den Rücken)

Lauf', Brauner!

Dich brauch' ich nicht mehr!

 
(Der Bär läuft in den Wald zurück)
 

MIME

(kommt zitternd hinter dem Herde hervor)

Wohl leid' ich's gern,

erlegst du Bären:

was bringst du lebend

die braunen heim?

SIEGFRIED

(setzt sich, um sich vom Lachen zu erholen)

Nach bessrem Gesellen sucht' ich,

als daheim mir einer sitzt;

im tiefen Walde mein Horn

liess ich hallend da ertönen:

ob sich froh mir gesellte

ein guter Freund,

das frug ich mit dem Getön'!

Aus dem Busche kam ein Bär,

der hörte mir brummend zu;

er gefiel mir besser als du,

doch bessre fänd' ich wohl noch!

Mit dem zähen Baste

zäumt' ich ihn da,

dich, Schelm, nach dem Schwerte zu fragen.

(Er springt auf und geht auf den Amboss zu)

MIME

(nimmt das Schwert auf, um es Siegfried zu reichen)

Ich schuf die Waffe scharf,

ihrer Schneide wirst du dich freun.

 
(Er hält das Schwert ängstlich in der Hand fest, das Siegfried ihm heftig entwindet)
 

SIEGFRIED

Was frommt seine helle Schneide,

ist der Stahl nicht hart und fest?

(das Schwert mit der Hand prüfend)

Hei! Was ist das

für müss'ger Tand!

Den schwachen Stift

nennst du ein Schwert?

(Er zerschlägt es auf dem Amboss, dass die Stücken ringsum fliegen; Mime weicht erschrocken aus)

Da hast du die Stücken,

schändlicher Stümper:

hätt' ich am Schädel

dir sie zerschlagen! -

Soll mich der Prahler

länger noch prellen?

Schwatzt mir von Riesen

und rüstigen Kämpfen,

von kühnen Taten

und tüchtiger Wehr;

will Waffen mir schmieden,

Schwerte schaffen;

rühmt seine Kunst,

als könnt' er was Rechts:

nehm' ich zur Hand nun,

was er gehämmert,

mit einem Griff

zergreif' ich den Quark! -

Wär' mir nicht schier

zu schäbig der Wicht,

ich zerschmiedet' ihn selbst

mit seinem Geschmeid,

den alten albernen Alp!

Des Ärgers dann hätt' ich ein End'!

 
(Siegfried wirft sich wütend auf eine Steinbank zur Seite rechts. Mime ist ihm immer vorsichtig ausgewichen.)
 

MIME

Nun tobst du wieder wie toll:

dein Undank, traun, ist arg!

Mach' ich dem bösen Buben

nicht alles gleich zu best,

was ich ihm Gutes schuf,

vergisst er gar zu schnell!

Willst du denn nie gedenken,

was ich dich lehrt' vom Danke?

Dem sollst du willig gehorchen,

der je sich wohl dir erwies.

 
(Siegfried wendet sich unmutig um, mit dem Gesicht nach der Wand, so dass er Mime den Rücken kehrt.)
 

 

Das willst du wieder nicht hören!

(Er steht verlegen; dann geht er in die Küche am Herd)

Doch speisen magst du wohl?

Vom Spiesse bring' ich den Braten:

versuchtest du gern den Sud?

Für dich sott ich ihn gar.

 
(Er bietet Siegfried Speise hin; dieser, ohne sich umzuwenden, schmeisst ihm Topf und Braten aus der Hand)
 

SIEGFRIED

Braten briet ich mir selbst:

deinen Sudel sauf' allein!

MIME

(Stellt sich empfindlich. - Mit kläglich kreischender Stimme.)

Das ist nun der Liebe

schlimmer Lohn!

Das der Sorgen

schmählicher Sold! -

Als zullendes Kind

zog ich dich auf,

wärmte mit Kleiden

den kleinen Wurm:

Speise und Trank

trug ich dir zu,

hütete dich

wie die eigne Haut.

Und wie du erwuchsest,

wartet' ich dein;

dein Lager schuf ich,

dass leicht du schliefst.

Dir schmiedet' ich Tand

und ein tönend Horn;

dich zu erfreun,

müht' ich mich froh:

mit klugem Rate

riet ich dir klug,

mit lichtem Wissen

lehrt' ich dich Witz.

Sitz' ich daheim

in Fleiss und Schweiss,

nach Herzenslust

schweifst du umher:

für dich nur in Plage,

in Pein nur für dich

verzehr' ich mich alter,

armer Zwerg!

(schluchzend)

Und aller Lasten

ist das nun mein Lohn,

dass der hastige Knabe

mich quält und hasst!

(schluchzend)

SIEGFRIED

Vieles lehrtest du, Mime,

und manches lernt' ich von dir;

doch was du am liebsten mich lehrtest,

zu lernen gelang mir nie:

wie ich dich leiden könnt'. -

Trägst du mir Trank

und Speise herbei, -

der Ekel speist mich allein;

schaffst du ein leichtes

Lager zum Schlaf, -

der Schlummer wird mir da schwer;

willst du mich weisen,

witzig zu sein, -

gern bleib' ich taub und dumm.

Seh' ich dir erst

mit den Augen zu,

zu übel erkenn' ich,

was alles du tust:

seh' ich dich stehn,

gangeln und gehn,

knicken und nicken,

mit den Augen zwicken:

beim Genick möcht' ich

den Nicker packen,

den Garaus geben

dem garst'gen Zwicker! -

So lernt' ich, Mime, dich leiden.

Bist du nun weise,

so hilf mir wissen,

worüber umsonst ich sann:

in den Wald lauf' ich,

dich zu verlassen, -

wie kommt das, kehr ich zurück?

Alle Tiere sind

mir teurer als du:

Baum und Vogel,

die Fische im Bach,

lieber mag ich sie

leiden als dich:

wie kommt das nun, kehr' ich zurück?

Bist du klug, so tu mir's kund.

MIME

(setzt sich in einiger Entfernung ihm traulich gegenüber)

Mein Kind, das lehrt dich kennen,

wie lieb ich am Herzen dir lieg'.

SIEGFRIED

(lachend)

Ich kann dich ja nicht leiden, -

vergiss das nicht so leicht!

MIME

(fährt zurück und setzt sich wieder abseits, Siegfried gegenüber)

Des ist deine Wildheit schuld,

die du, Böser, bänd'gen sollst. -

Jammernd verlangen Junge

nach ihrer Alten Nest;

Liebe ist das Verlangen;

so lechzest du auch nach mir,

so liebst du auch deinen Mime, -

so musst du ihn lieben!

Was dem Vögelein ist der Vogel,

wenn er im Nest es nährt

eh' das flügge mag fliegen:

das ist dir kind'schem Spross

der kundig sorgende Mime,

das muss er dir sein!

SIEGFRIED

Ei, Mime, bist du so witzig,

so lass mich eines noch wissen! -

Es sangen die Vöglein

so selig im Lenz,

das eine lockte das andre:

du sagtest selbst,

da ich's wissen wollt',

das wären Männchen und Weibchen.

Sie kosten so lieblich,

und liessen sich nicht;

sie bauten ein Nest

und brüteten drin:

da flatterte junges

Geflügel auf,

und beide pflegten der Brut. -

So ruhten im Busch

auch Rehe gepaart,

selbst wilde Füchse und Wölfe:

Nahrung brachte

zum Neste das Männchen,

das Weibchen säugte die Welpen.

Da lernt' ich wohl,

was Liebe sei:

der Mutter entwandt' ich

die Welpen nie. -

Wo hast du nun, Mime,

dein minniges Weibchen,

dass ich es Mutter nenne?

MIME

(ärgerlich)

Was ist dir, Tor?

Ach, bist du dumm!

Bist doch weder Vogel noch Fuchs?

SIEGFRIED

Das zullende Kind

zogest du auf,

wärmtest mit Kleiden

den kleinen Wurm:

wie kam dir aber

der kindische Wurm?

Du machtest wohl gar

ohne Mutter mich?

MIME

(in grosser Verlegenheit)

Glauben sollst du,

was ich dir sage:

ich bin dir Vater

und Mutter zugleich.

SIEGFRIED

Das lügst du, garstiger Gauch! -

Wie die Jungen den Alten gleichen,

das hab' ich mir glücklich ersehn.

Nun kam ich zum klaren Bach:

da erspäht' ich die Bäum'

und Tier' im Spiegel;

Sonn' und Wolken,

wie sie nur sind,

im Glitzer erschienen sie gleich.

Da sah ich denn auch

mein eigen Bild;

ganz anders als du

dünkt' ich mir da:

so glich wohl der Kröte

ein glänzender Fisch;

doch kroch nie ein Fisch aus der Kröte!

MIME

(höchst ärgerlich)

Gräulichen Unsinn

kramst du da aus!

SIEGFRIED

(immer lebendiger)

Siehst du, nun fällt

auch selbst mir ein,

was zuvor umsonst ich besann:

wenn zum Wald ich laufe,

dich zu verlassen,

wie das kommt, kehr' ich doch heim?

(Er springt auf)

Von dir erst muss ich erfahren,

wer Vater und Mutter mir sei!

MIME

(weicht ihm aus)

Was Vater! Was Mutter!

Müssige Frage!

SIEGFRIED

(packt ihn bei der Kehle)

So muss ich dich fassen,

um was zu wissen:

gutwillig

erfahr' ich doch nichts!

So musst' ich alles

ab dir trotzen:

kaum das Reden

hätt' ich erraten,

entwandt ich's mit Gewalt

nicht dem Schuft!

Heraus damit,

räudiger Kerl!

Wer ist mir Vater und Mutter?

MIME

(nachdem er mit dem Kopfe genickt und mit den Händen gewinkt, ist von Siegfried losgelassen worden)

Ans Leben gehst du mir schier!

Nun lass! Was zu wissen dich geizt,

erfahr' es, ganz wie ich's weiss. -

O undankbares,

arges Kind!

Jetzt hör', wofür du mich hassest!

Nicht bin ich Vater

noch Vetter dir,

und dennoch verdankst du mir dich!

Ganz fremd bist du mir,

dem einzigen Freund;

aus Erbarmen allein

barg ich dich hier:

nun hab' ich lieblichen Lohn!

Was verhofft' ich Thor mir auch Dank?

Einst lag wimmernd ein Weib

da draussen im wilden Wald:

zur Höhle half ich ihr her,

am warmen Herd sie zu hüten.

Ein Kind trug sie im Schosse;

traurig gebar sie's hier;

sie wand sich hin und her,

ich half, so gut ich konnt'.

Gross war die Not! Sie starb, -

doch Siegfried, der genas.

SIEGFRIED

So starb meine Mutter an mir?

MIME

Meinem Schutz übergab sie dich:

 
(Siegfried steht sinnend.)
 

 

ich schenkt' ihn gern dem Kind.

Was hat sich Mime gemüht,

was gab sich der Gute für Not!

"Als zullendes Kind

zog ich dich auf..."

SIEGFRIED

Mich dünkt, des gedachtest du schon!

Jetzt sag': woher heiss' ich Siegfried?

MIME

So hiess mich die Mutter,

möcht' ich dich heissen:

als "Siegfried" würdest

du stark und schön.

"Ich wärmte mit Kleiden

den kleinen Wurm...."

SIEGFRIED

Nun melde, wie hiess meine Mutter?

MIME

Das weiss ich wahrlich kaum!

"Speise und Trank

trug ich dir zu...."

SIEGFRIED

Den Namen sollst du mir nennen!

MIME

Entfiel er mir wohl? Doch halt!

Sieglinde mochte sie heissen,

die dich in Sorge mir gab. -

"Ich hütete dich

wie die eigne Haut...."

SIEGFRIED

(immer dringender)

Dann frag' ich, wie hiess mein Vater?

MIME

(barsch)

Den hab' ich nie gesehn.

SIEGFRIED

Doch die Mutter nannte den Namen?

MIME

Erschlagen sei er,

das sagte sie nur;

dich Vaterlosen

befahl sie mir da: -

"und wie du erwuchsest,

wartet' ich dein;

dein Lager schuf ich,

dass leicht du schliefst..."

SIEGFRIED

Still mit dem alten

Starenlied! -

Soll ich der Kunde glauben,

hast du mir nichts gelogen,

so lass mich Zeichen sehn!

MIME

Was soll dir's noch bezeugen?

SIEGFRIED

Dir glaub' ich nicht mit dem Ohr',

dir glaub' ich nur mit dem Aug':

welch Zeichen zeugt für dich?

MIME

(holt nach einigem Besinnen die zwei Stücke eines zerschlagenen Schwerts herbei)

Das gab mir deine Mutter:

für Mühe, Kost und Pflege

liess sie's als schwachen Lohn.

Sieh' her, ein zerbrochnes Schwert!

Dein Vater, sagte sie, führt' es,

als im letzten Kampf er erlag.

SIEGFRIED

(begeistert)

Und diese Stücke

sollst du mir schmieden:

dann schwing' ich ein rechtes Schwert!

Auf! Eile dich, Mime!

Mühe dich rasch;

kannst du was Rechts,

nun zeig' deine Kunst!

Täusche mich nicht

mit schlechtem Tand:

den Trümmern allein

trau' ich was zu!

Find' ich dich faul,

fügst du sie schlecht,

flickst du mit Flausen

den festen Stahl, -

dir Feigem fahr' ich zu Leib',

das Fegen lernst du von mir!

Denn heute noch, schwör' ich,

will ich das Schwert;

die Waffe gewinn' ich noch heut'!

MIME

(erschrocken)

Was willst du noch heut' mit dem Schwert?

 

SIEGFRIED

Aus dem Wald fort  

in die Welt ziehn:

nimmer kehr' ich zurück!

Wie ich froh bin,

dass ich frei ward,

nichts mich bindet und zwingt!

Mein Vater bist du nicht;

in der Ferne bin ich heim;

dein Herd ist nicht mein Haus,

meine Decke nicht dein Dach.

Wie der Fisch froh

in der Flut schwimmt,

wie der Fink frei

sich davon schwingt:

flieg' ich von hier,

flute davon,

wie der Wind übern Wald

weh' ich dahin, -

dich, Mime, nie wieder zu sehn!

(Er stürmt in den Wald fort)

Sfondo schermo () ()

Siegfried ->

 

MIME

(in höchster Angst)  

Halte! Halte! Wohin?

(Er ruft mit der grössten Anstrengung in den Wald)

He! Siegfried!

Siegfried! He!

(Er sieht dem Fortstürmenden eine Weile staunend nach; dann kehrt er in die Schmiede zurück und setzt sich hinter den Amboss)

Da stürmt er hin! -

Nun sitz' ich da: -

zur alten Not

hab' ich die neue;

vernagelt bin ich nun ganz! -

Wie helf' ich mir jetzt?

Wie halt' ich ihn fest?

Wie führ' ich den Huien

zu Fafners Nest?

Wie füg' ich die Stücken

des tückischen Stahls?

Keines Ofens Glut

glüht mir die echten;

keines Zwergen Hammer

zwingt mir die harten.

Des Niblungen Neid,

Not und Schweiss

nietet mir Notung nicht,

schweisst mir das Schwert nicht zu ganz! -

 
(Mime knickt verzweifelnd auf dem Schemel hinter dem Amboss zusammen.)
 

Zweite Szene

Der Wanderer [Wotan] tritt aus dem Wald an das hintere Tor der Höhle heran. - Er trägt einen dunkelblauen, langen Mantel; einen Speer führt er als Stab. Auf dem Haupte hat er einen grossen Hut mit breiter runder Krämpe, die über das fehlende eine Auge tief hereinhängt.

<- Wanderer

 

WANDERER

Heil dir, weiser Schmied!  

Dem wegmüden Gast

gönne hold

des Hauses Herd!

MIME

(ist erschrocken aufgefahren)

Wer ist's, der im wilden

Walde mich sucht?

Wer verfolgt mich im öden Forst?

WANDERER

(sehr langsam, immer nur einen Schritt sich nähernd)

"Wand'rer" heisst mich die Welt;

weit wandert' ich schon:

auf der Erde Rücken

rührt' ich mich viel!

MIME

So rühre dich fort

und raste nicht hier,

heisst dich "Wand'rer" die Welt!

WANDERER

Gastlich ruht' ich bei Guten,

Gaben gönnten viele mir:

denn Unheil fürchtet,

wer unhold ist.

MIME

Unheil wohnte

immer bei mir:

willst du dem Armen es mehren?

WANDERER

(langsam immer näherschreitend)

Viel erforscht' ich,

erkannte viel:

Wicht'ges konnt' ich

manchem künden,

manchem wehren,

was ihn mühte:

nagende Herzensnot.

MIME

Spürtest du klug

und erspähtest du viel,

hier brauch' ich nicht Spürer noch Späher.

Einsam will ich

und einzeln sein,

Lungerern lass' ich den Lauf.

WANDERER

(tritt wieder etwas näher)

Mancher wähnte

weise zu sein,

nur was ihm not tat,

wusste er nicht;

was ihm frommte,

liess ich erfragen:

lohnend lehrt' ihn mein Wort.

MIME

(immer ängstlicher, da er den Wanderer sich nahen sieht)

Müss'ges Wissen

wahren manche:

ich weiss mir grade genug;

 
(Der Wanderer schreitet vollends bis an den Herd vor.)
 

 

mir genügt mein Witz,

ich will nicht mehr:

dir Weisem weis' ich den Weg!

WANDERER

(am Herd sich setzend)

Hier sitz' ich am Herd

und setze mein Haupt

der Wissenswette zum Pfand:

mein Kopf ist dein,

du hast ihn erkiest,

entfrägst du dir nicht,

was dir frommt,

lös' ich's mit Lehren nicht ein.

MIME

(der zuletzt den Wanderer mit offenem Munde angestaunt hat, schrickt jetzt zusammen; kleinmütig für sich)

Wie werd' ich den Lauernden los?

Verfänglich muss ich ihn fragen.

(Er ermannt sich wie zu Strenge)

Dein Haupt pfänd' ich

für den Herd:

nun sorg', es sinnig zu lösen!

Drei der Fragen

stell' ich mir frei.

WANDERER

Dreimal muss ich's treffen.

MIME

(sammelt sich zum Nachdenken)

Du rührtest dich viel

auf der Erde Rücken,

die Welt durchwandert'st du weit; -

nun sage mir schlau:

welches Geschlecht

tagt in der Erde Tiefe?

WANDERER

In der Erde Tiefe

tagen die Nibelungen:

Nibelheim ist ihr Land.

Schwarzalben sind sie;

Schwarz-Alberich

hütet' als Herrscher sie einst!

Eines Zauberringes

zwingende Kraft

zähmt' ihm das fleissige Volk.

Reicher Schätze

schimmernden Hort

häuften sie ihm:

der sollte die Welt ihm gewinnen. -

Zum zweiten was frägst du, Zwerg?

MIME

(versinkt in immer tieferes Nachsinnen)

Viel, Wanderer,

weisst du mir

aus der Erde Nabelnest;

nun sage mir schlicht,

welches Geschlecht

ruht auf der Erde Rücken?

WANDERER

Auf der Erde Rücken

wuchtet der Riesen Geschlecht:

Riesenheim ist ihr Land.

Fasolt und Fafner,

der Rauhen Fürsten,

neideten Nibelungs Macht;

den gewaltigen Hort

gewannen sie sich,

errangen mit ihm den Ring.

Um den entbrannte

den Brüdern Streit;

der Fasolt fällte,

als wilder Wurm

hütet nun Fafner den Hort. -

Die dritte Frage nun droht.

MIME

(der ganz in Träumerei entrückt ist)

Viel, Wanderer,

weisst du mir

von der Erde rauhem Rücken.

Nun sage mir wahr,

welches Geschlecht

wohnt auf wolkigen Höhn?

WANDERER

Auf wolkigen Höhn

wohnen die Götter:

Walhall heisst ihr Saal.

Lichtalben sind sie;

Licht-Alberich,

Wotan, waltet der Schar.

Aus der Welt-Esche

weihlichstem Aste

schuf er sich einen Schaft:

dorrt der Stamm,

nie verdirbt doch der Speer;

mit seiner Spitze

sperrt Wotan die Welt.

Heil'ger Verträge

Treuerunen

schnitt in den Schaft er ein.

Den Haft der Welt

hält in der Hand,

wer den Speer führt,

den Wotans Faust umspannt.

Ihm neigte sich

der Niblungen Heer;

der Riesen Gezücht

zähmte sein Rat:

ewig gehorchen sie alle

des Speeres starkem Herrn.

 
(Er stösst wie unwillkürlich mit dem Speer auf den Boden; ein leiser Donner lässt sich vernehmen, wovon Mime heftig erschrickt.)
 

 

Nun rede, weiser Zwerg:

wusst' ich der Fragen Rat?

Behalte mein Haupt ich frei?

MIME

(nachdem er den Wanderer mit dem Speer aufmerksam beobachtet hat, gerät nun in grosse Angst, sucht verwirrt nach seinen Gerätschaften und blickt scheu zur Seite)

Fragen und Haupt

hast du gelöst:

nun, Wand'rer, geh' deines Wegs!

WANDERER

Was zu wissen dir frommt,

solltest du fragen:

Kunde verbürgte mein Kopf. -

Dass du nun nicht weisst,

was dir nützt,

des fass' ich jetzt deines als Pfand.

Gastlich nicht

galt mir dein Gruss,

mein Haupt gab ich

in deine Hand,

um mich des Herdes zu freun.

Nach Wettens Pflicht

pfänd' ich nun dich,

lösest du drei

der Fragen nicht leicht.

Drum frische dir, Mime, den Muth!

MIME

(sehr schüchtern und zögernd, endlich in furchtsamer Ergebung sich fassend)

Lang' schon mied ich

mein Heimatland,

lang' schon schied ich

aus der Mutter Schoss;

mir leuchtete Wotans Auge,

zur Höhle lugt' es herein:

vor ihm magert

mein Mutterwitz.

Doch frommt mir's nun weise zu sein,

Wand'rer, frage denn zu!

Vielleicht glückt mir's, gezwungen

zu lösen des Zwerges Haupt.

WANDERER

(wieder gemächlich sich niederlassend)

Nun, ehrlicher Zwerg,

sag' mir zum ersten:

welches ist das Geschlecht,

dem Wotan schlimm sich zeigte

und das doch das liebste ihm lebt?

MIME

(sich ermunternd)

Wenig hört' ich

von Heldensippen;

der Frage doch mach' ich mich frei. -

Die Wälsungen sind

das Wunschgeschlecht,

das Wotan zeugte

und zärtlich liebte,

zeigt' er auch Ungunst ihm.

Siegmund und Sieglind'

stammten von Wälse,

ein wild-verzweifeltes

Zwillingspaar:

Siegfried zeugten sie selbst,

den stärksten Wälsungenspross.

Behalt' ich, Wand'rer,

zum ersten mein Haupt?

WANDERER

(gemütlich)

Wie doch genau

das Geschlecht du mir nennst:

schlau eracht' ich dich Argen!

Der ersten Frage

wardst du frei.

Zum zweiten nun sag' mir, Zwerg:

Ein weiser Niblung

wahret Siegfried;

Fafner soll er ihm fällen,

dass den Ring er erränge,

des Hortes Herrscher zu sein.

Welches Schwert

muss Siegfried nun schwingen,

taug' es zu Fafners Tod?

MIME

(seine gegenwärtige Lage immer mehr vergessend und von dem Gegenstande lebhaft angezogen, reibt sich vergnügt die Hände)

Notung heisst

ein neidliches Schwert;

in einer Esche Stamm

stiess es Wotan:

dem sollt' es geziemen,

der aus dem Stamm es zög'.

Der stärksten Helden

keiner bestand's:

Siegmund, der Kühne,

konnt's allein:

fechtend führt' er's im Streit,

bis an Wotans Speer es zersprang.

Nun verwahrt die Stücken

ein weiser Schmied;

denn er weiss, dass allein

mit dem Wotans-Schwert

ein kühnes dummes Kind,

Siegfried, den Wurm versehrt.

(ganz vergnügt)

Behalt' ich Zwerg

auch zweitens mein Haupt?

WANDERER

(lachend)

Der witzigste bist du

unter den Weisen:

wer käm' dir an Klugheit gleich?

Doch bist du so klug,

den kindischen Helden

für Zwergenzwecke zu nützen, -

mit der dritten Frage

droh' ich nun!

Sag' mir, du weiser

Waffenschmied:

wer wird aus den starken Stücken

Notung, das Schwert, wohl schweissen?

MIME

(fährt im höchsten Schrecken auf)

Die Stücken! Das Schwert!

O weh! Mir schwindelt!

Was fang' ich an?

Was fällt mir ein?

Verfluchter Stahl,

dass ich dich gestohlen!

Er hat mich vernagelt

in Pein und Not!

Mir bleibt er hart,

ich kann ihn nicht hämmern:

Niet' und Löte

lässt mich im Stich!

(Er wirft wie sinnlos sein Gerät durcheinander und bricht in helle Verzweiflung aus)

Der weiseste Schmied

weiss sich nicht Rat!

Wer schweisst nun das Schwert,

schaff' ich es nicht?

Das Wunder, wie soll ich's wissen?

WANDERER

(ist ruhig vom Herd aufgestanden)

Dreimal solltest du fragen,

dreimal stand ich dir frei:

nach eitlen Fernen

forschtest du;

doch was zunächst dir sich fand,

was dir nützt, fiel dir nicht ein.

Nun ich's errate,

wirst du verrückt:

gewonnen hab' ich

das witzige Haupt!

Jetzt, Fafners kühner Bezwinger,

hör', verfall'ner Zwerg:

"Nur wer das Fürchten

nie erfuhr,

schmiedet Notung neu."

 
(Mime starrt ihn gross an: er wendet sich zum Fortgange.)
 

WANDERER

Dein weises Haupt

wahre von heut':

verfallen lass' ich es dem,

der das Fürchten nicht gelernt!

 
(Er wendet sich lächelnd ab und verschwindet schnell im Walde. Mime ist wie vernichtet auf den Schemel hinter dem Amboss zurückgesunken.)

Wanderer ->

 

Dritte Szene

 

MIME

(starrt grad vor sich aus in den sonnig beleuchteten Wald hinein und gerät zunehmend in heftiges Zittern)  

Verfluchtes Licht!

Was flammt dort die Luft?

Was flackert und lackert, -

was flimmert und schwirrt, -

was schwebt dort und webt

und wabert umher?

Da glimmert's und glitzt's

in der Sonne Glut!

Was säuselt und summt

und saust nun gar?

Es brummt und braust -

und prasselt hieher!

Dort bricht's durch den Wald,

will auf mich zu!

(Er bäumt sich vor Entsetzen auf)

Ein grässlicher Rachen

reisst sich mir auf:

der Wurm will mich fangen!

Fafner! Fafner!

(Er sinkt laut schreiend hinter dem breiten Amboss zusammen)

 

<- Siegfried

SIEGFRIED

(bricht aus dem Waldgesträuch hervor und ruft noch hinter der Szene, während man seine Bewegung an dem zerkrachenden Gezweige des Gesträuches gewahrt)  

Heda! Du Fauler!

Bist du nun fertig!

(Er tritt in die Höhle herein und hält verwundert an)

Schnell! Wie steht's mit dem Schwert?

Wo steckt der Schmied?

Stahl er sich fort?

Hehe! Mime, du Memme!

Wo bist du? Wo birgst du dich?

MIME

(mit schwacher Stimme hinter dem Amboss)

Bist du es, Kind?

Kommst du allein?

SIEGFRIED

(lachend)

Hinter dem Amboss? -

Sag', was schufest du dort?

Schärftest du mir das Schwert?

MIME

(höchst verstört und zerstreut hervorkommend)

Das Schwert? Das Schwert?

Wie möcht' ich's schweissen? -

(halb für sich)

"Nur wer das Fürchten

nie erfuhr,

schmiedet Notung neu." -

Zu weise ward ich

für solches Werk!

SIEGFRIED

(heftig)

Wirst du mir reden?

Soll ich dir raten?

MIME

(wie zuvor)

Wo nähm' ich redlichen Rat? -

Mein weises Haupt

hab' ich verwettet:

(vor sich hin starrend)

verfallen, verlor ich's an den,

"der das Fürchten nicht gelernt".

SIEGFRIED

(ungestüm)

Sind mir das Flausen?

Willst du mir fliehn?

MIME

(allmählich sich etwas fassend)

Wohl flöh' ich dem,

der's Fürchten kennt! -

Doch das liess ich dem Kinde zu lehren!

Ich Dummer vergass,

was einzig gut:

Liebe zu mir

sollt' er lernen; -

das gelang nun leider faul! -

Wie bring' ich das Fürchten ihm bei?

SIEGFRIED

(packt ihn)

He! Muss ich helfen?

Was fegtest du heut'?

MIME

Um dich nur besorgt,

versank ich in Sinnen,

wie ich dich Wichtiges wiese.

SIEGFRIED

(lachend)

Bis unter den Sitz

warst du versunken:

was Wichtiges fandest du da?

MIME

(sich immer mehr fassend)

Das Fürchten lernt' ich für dich,

dass ich's dich Dummen lehre.

SIEGFRIED

(mit ruhiger Verwunderung)

Was ist's mit dem Fürchten?

MIME

Erfuhrst du's noch nie

und willst aus dem Wald

doch fort in die Welt?

Was frommte das festeste Schwert,

blieb dir das Fürchten fern?

SIEGFRIED

(ungeduldig)

Faulen Rat

erfindest du wohl?

MIME

(immer zutraulicher Siegfried näher tretend)

Deiner Mutter Rat

redet aus mir;

was ich gelobte,

muss ich nun lösen:

in die listige Welt

dich nicht zu entlassen,

eh' du nicht das Fürchten gelernt.

SIEGFRIED

(heftig)

Ist's eine Kunst,

was kenn' ich sie nicht?

Heraus! Was ist's mit dem Fürchten?

MIME

Fühltest du nie

im finstren Wald,

bei Dämmerschein

am dunklen Ort,

wenn fern es säuselt,

summt und saust,

wildes Brummen

näher braust,

wirres Flackern

um dich flimmert,

schwellend Schwirren

zu Leib dir schwebt: -

fühltest du dann nicht grieselnd

Grausen die Glieder dir fahen?

Glühender Schauer

schüttelt die Glieder,

in der Brust bebend und bang

berstet hämmernd das Herz?

Fühltest du das noch nicht,

das Fürchten blieb dir dann fremd.

SIEGFRIED

(nachsinnend)

Sonderlich seltsam

muss das sein!

Hart und fest,

fühl' ich, steht mir das Herz. -

Das Grieseln und Grausen,

das Glühen und Schauern,

Hitzen und Schwindeln,

Hämmern und Beben: -

gern begehr' ich das Bangen,

sehnend verlangt mich's der Lust! -

Doch wie bringst du,

Mime, mir's bei?

Wie wärst du, Memme, mir Meister?

MIME

Folge mir nur,

ich führe dich wohl:

sinnend fand ich es aus.

Ich weiss einen schlimmen Wurm,

der würgt' und schlang schon viel:

Fafner lehrt dich das Fürchten,

folgst du mir zu seinem Nest.

SIEGFRIED

Wo liegt er im Nest?

MIME

Neidhöhle

wird es genannt:

im Ost, am Ende des Walds.

SIEGFRIED

Dann wär's nicht weit von der Welt?

MIME

Bei Neidhöhle liegt sie ganz nah.

SIEGFRIED

Dahin denn sollst du mich führen:

lernt' ich das Fürchten,

dann fort in die Welt!

Drum schnell! Schaffe das Schwert,

in der Welt will ich es schwingen.

MIME

Das Schwert? O Not!

SIEGFRIED

Rasch in die Schmiede!

Weis', was du schufst!

MIME

Verfluchter Stahl!

Zu flicken versteh' ich ihn nicht:

den zähen Zauber

bezwingt keines Zwergen Kraft.

Wer das Fürchten nicht kennt,

der fänd' wohl eher die Kunst.

SIEGFRIED

Feine Finten

weiss mir der Faule;

dass er ein Stümper,

sollt' er gestehn:

nun lügt er sich listig heraus!

Her mit den Stücken,

fort mit dem Stümper!

(auf den Herd zuschreitend)

Des Vaters Stahl

fügt sich wohl mir:

ich selbst schweisse das Schwert.

(Er macht sich, Mimes Gerät durcheinander werfend, mit Ungestüm an die Arbeit)

MIME

Hättest du fleissig

die Kunst gepflegt,

jetzt käm' dir's wahrlich zugut;

doch lässig warst du

stets in der Lehr':

was willst du Rechtes nun rüsten?

SIEGFRIED

Was der Meister nicht kann,

vermöcht' es der Knabe,

hätt' er ihm immer gehorcht? -

(Er dreht ihm eine Nase)

Jetzt mach' dich fort,

misch' dich nicht drein:

sonst fällst du mir mit ins Feuer!

(Er hat eine grosse Menge Kohlen auf dem Herd aufgehäuft und unterhält in einem fort die Glut, während er die Schwertstücke in den Schraubstock einspannt und sie zu Spänen zerfeilt)

MIME

(der sich etwas abseits niedergesetzt hat, sieht Siegfried bei der Arbeit zu)

Was machst du denn da?

Nimm doch die Löte:

den Brei braut' ich schon längst.

SIEGFRIED

Fort mit dem Brei!

Ich brauch' ihn nicht:

Mit Bappe back' ich kein Schwert!

MIME

Du zerfeilst die Feile,

zerreibst die Raspel:

wie willst du den Stahl zerstampfen?

SIEGFRIED

Zersponnen muss ich

in Späne ihn sehn:

was entzwei ist, zwing' ich mir so.

(Er feilt mit grossem Eifer fort)

MIME

(für sich)

Hier hilft kein Kluger,

das seh' ich klar:

hier hilft dem Dummen

die Dummheit allein!

Wie er sich rührt

und mächtig regt!

ihm schwindet der Stahl,

doch wird ihm nicht schwül! -

 
(Siegfried hat das Herdfeuer zur hellsten Glut angefacht.)
 

 

Nun ward ich so alt

wie Höhl' und Wald,

und hab' nicht so was geseh'n!

 
(Während Siegfried mit ungestümem Eifer fortfährt, die Schwertstücken zu zerfeilen, setzt sich Mime noch mehr beiseite.)
 

 

Mit dem Schwert gelingt's,

das lern' ich wohl:

furchtlos fegt er's zu ganz.

Der Wand'rer wusst' es gut! -

Wie berg' ich nun

mein banges Haupt?

Dem kühnen Knaben verfiel's,

lehrt' ihn nicht Fafner die Furcht!

(mit wachsender Unruhe aufspringend und sich beugend)

Doch weh' mir Armen!

Wie würgt' er den Wurm,

erführ' er das Fürchten von ihm?

Wie erräng' er mir den Ring?

Verfluchte Klemme!

Da klebt' ich fest,

fänd' ich nicht klugen Rat,

wie den Furchtlosen selbst ich bezwäng'.

SIEGFRIED

(hat nun die Stücken zerfeilt und in einem Schmelztiegel gefangen, den er jetzt in die Herdglut stellt)

He, Mime! Geschwind!

Wie heisst das Schwert,

das ich in Späne zersponnen?

MIME

(fährt zusammen und wendet sich zu Siegfried)

Notung nennt sich

das neidliche Schwert:

deine Mutter gab mir die Mär.

 

SIEGFRIED

(nährt unter dem folgenden die Glut mit dem Blasebalg)  

Notung! Notung!

Neidliches Schwert!

Was musstest du zerspringen?

Zu Spreu nun schuf ich

die scharfe Pracht,

im Tiegel brat' ich die Späne.

Hoho! Hoho!

Hohei! Hohei!

Blase, Balg!

Blase die Glut! -

Wild im Walde

wuchs ein Baum,

den hab' ich im Forst gefällt: -

die braune Esche

brannt' ich zur Kohl',

auf dem Herd nun liegt sie gehäuft.

Hoho! Hoho!

Hohei! Hohei!

Blase, Balg!

Blase die Glut!

Des Baumes Kohle,

wie brennt sie kühn;

wie glüht sie hell und hehr!

In springenden Funken

sprühet sie auf:

Hohei! Hohei! Hohei!

Zerschmilzt mir des Stahles Spreu.

Hoho! Hoho!

Hohei! Hoho!

Blase, Balg!

Blase die Glut!

 

MIME

(immer für sich, entfernt sitzend)  

Er schmiedet das Schwert,

und Fafner fällt er:

das seh' ich nun sicher voraus.

Hort und Ring

erringt er im Harst: -

wie erwerb' ich mir den Gewinn?

Mit Witz und List

erlang' ich beides

und berge heil mein Haupt.

 

SIEGFRIED

(nochmals am Blasebalg)

Hoho! Hoho!

Hohei! Hohei!

 

MIME

(im Vordergrunde für sich)

Rang er sich müd mit dem Wurm,

von der Müh' erlab' ihn ein Trunk:

aus würz'gen Säften,

die ich gesammelt,

brau' ich den Trank für ihn;

wenig Tropfen nur

braucht er zu trinken,

sinnenlos sinkt er in Schlaf.

Mit der eignen Waffe,

die er sich gewonnen,

räum' ich ihn leicht aus dem Weg,

erlange mir Ring und Hort.

(Er reibt sich vergnügt die Hände)

SIEGFRIED

Notung! Notung!

Neidliches Schwert!

Nun schmolz deines Stahles Spreu!

Im eignen Schweisse

schwimmst du nun.

Beide

MIME

Hei! Weiser Wand'rer!

Dünkt' ich dich dumm?

Wie gefällt dir nun

mein feiner Witz?

 

MIME

Fand ich mir wohl

Rat und Ruh'?

SIEGFRIED

(Er giesst den glühenden Inhalt des Tiegels in eine Stangenform und hält diese in die Höhe)

Bald schwing' ich dich als mein Schwert!

(Er stösst die gefüllte Stangenform in den Wassereimer; Dampf und lautes Gezisch der Kühlung erfolgen)

In das Wasser floss

ein Feuerfluss:

grimmiger Zorn

zischt' ihm da auf!

Wie sehrend er floss,

in des Wassers Flut

fliesst er nicht mehr.

Starr ward er und steif,

herrisch der harte Stahl:

heisses Blut doch

fliesst ihm bald! -

(Er stösst den Stahl in die Herdglut und zieht die Blasebälge mächtig an)

Nun schwitze noch einmal,

dass ich dich schweisse,

Notung, neidliches Schwert!

 
(Mime ist vergnügt aufgesprungen; er holt verschiedene Gefässe hervor, schüttet aus ihnen Gewürz und Kräuter in einen Kochtopf und sucht, diesen auf dem Herd anzubringen.)
 

 

(Siegfried beobachtet während der Arbeit Mime, welcher vom andern Ende des Herdes her seinen Topf sorgsam an die Glut stellt)

Was schafft der Tölpel

dort mit dem Topf?

Brenn' ich hier Stahl,

braust du dort Sudel?

MIME

Zuschanden kam ein Schmied,

den Lehrer sein Knabe lehrt:

mit der Kunst nun ist's beim Alten aus,

als Koch dient er dem Kind.

Brennt es das Eisen zu Brei,

aus Eiern braut

der Alte ihm Sud.

(er fährt fort zu kochen)

SIEGFRIED

Mime, der Künstler,

lernt jetzt kochen;

das Schmieden schmeckt ihm nicht mehr.

Seine Schwerter alle

hab' ich zerschmissen;

was er kocht, ich kost' es ihm nicht!

(Unter dem Folgenden zieht Siegfried die Stangenform aus der Glut, zerschlägt sie und legt den glühenden Stahl auf dem Amboss zurecht)

Das Fürchten zu lernen,

will er mich führen;

ein Ferner soll es mich lehren:

was am besten er kann,

mir bringt er's nicht bei:

als Stümper besteht er in allem!

(während des Schmiedens)

Hoho! Hoho! Hohei!

Schmiede, mein Hammer,

ein hartes Schwert!

 

Hoho! Hahei!  

Hoho! Hahei!

Einst färbte Blut

dein falbes Blau;

sein rotes Rieseln

rötete dich:

kalt lachtest du da,

das warme lecktest du kühl!

Heiaho! Haha!

Haheiaha!

Nun hat die Glut

dich rot geglüht;

deine weiche Härte

dem Hammer weicht:

zornig sprühst du mir Funken,

dass ich dich Spröden gezähmt!

Heiaho! Heiaho!

Heiahohoho!

Hahei!

 

MIME

(beiseite)  

Er schafft sich ein scharfes Schwert,

Fafner zu fällen,

der Zwerge Feind:

ich braut' ein Truggetränk,

Siegfried zu fangen,

dem Fafner fiel.

Gelingen muss mir die List;

lachen muss mir der Lohn!

(Er beschäftigt sich während des folgenden damit, den Inhalt des Topfes in eine Flasche zu giessen)

 

SIEGFRIED

Hoho! Hoho!

Hahei!

Schmiede, mein Hammer,

ein hartes Schwert!

Hoho! Hahei!

Hoho! Hahei!

Der frohen Funken

wie freu' ich mich;

es ziert den Kühnen

des Zornes Kraft:

lustig lachst du mich an,

stellst du auch grimm dich und gram!

Heiaho, haha,

haheiaha!

Durch Glut und Hammer

glückt' es mir;

mit starken Schlägen

streckt' ich dich:

nun schwinde die rote Scham;

werde kalt und hart, wie du kannst.

Heiaho! Heiaho!

Heiahohoho!

Heiah!

(Er schwingt den Stahl und stösst ihn in den Wassereimer. Er lacht bei dem Gezisch laut auf.)

 
(Während Siegfried die geschmiedete Schwertklinge in dem Griffhefte befestigt, treibt sich Mime mit der Flasche im Vordergrunde umher)
 

MIME

Den der Bruder schuf,  

den schimmernden Reif,

in den er gezaubert

zwingende Kraft,

das helle Gold,

das zum Herrscher macht, -

ihn hab' ich gewonnen!

Ich walte sein! -

 
(Er trippelt, während Siegfried mit dem kleinen Hammer arbeitet und schleift und feilt, mit zunehmender Vergnügtheit lebhaft umher.)
 

 

Alberich selbst,

der einst mich band,

zur Zwergenfrone

zwing' ich ihn nun;

als Niblungenfürst

fahr' ich darnieder;

gehorchen soll mir

alles Heer!

Der verachtete Zwerg,

wie wird er geehrt! -

Zu dem Horte hin drängt sich

Gott und Held:

(mit immer lebhafteren Gebärden)

vor meinem Nicken

neigt sich die Welt,

vor meinem Zorne

zittert sie hin! -

Dann wahrlich müht sich

Mime nicht mehr:

ihm schaffen andre

den ew'gen Schatz.

Mime, der kühne,

Mime ist König,

Fürst der Alben,

Walter des Alls!

Hei, Mime! Wie glückte dir das!

Wer hätte wohl das gedacht!

SIEGFRIED

(hat während der letzten Absätze von Mimes Lied mit den letzten Schlägen die Nieten des Griffheftes geglättet und fasst nun das Schwert)

Notung! Notung!

Neidliches Schwert!

Jetzt haftest du wieder im Heft.

Warst du entzwei,

ich zwang dich zu ganz;

kein Schlag soll nun dich mehr zerschlagen.

Dem sterbenden Vater

zersprang der Stahl,

der lebende Sohn

schuf ihn neu:

nun lacht ihm sein heller Schein,

seine Schärfe schneidet ihm hart.

(das Schwert vor sich schwingend)

Notung! Notung!

Neidliches Schwert!

Zum Leben weckt' ich dich wieder,

tot lagst du

in Trümmern dort,

jetzt leuchtest du trotzig und hehr.

Zeige den Schächern

nun deinen Schein!

Schlage den Falschen,

fälle den Schelm! -

Schau, Mime, du Schmied: -

(Er holt mit dem Schwert aus)

so schneidet Siegfrieds Schwert!

 
(Er schlägt auf den Amboss, welcher von oben bis unten in zwei Stücke zerspaltet, so dass er unter grossem Gepolter auseinander fällt. Mime, welcher in höchster Verzückung sich auf einen Schemel geschwungen hatte, fällt vor Schreck sitzlings zu Boden. Siegfried hält jauchzend das Schwert in die Höhe. - Der Vorhang fällt.)
 

Ende (Erster Aufzug)

Erster Aufzug Zweiter Aufzug Dritter Aufzug

Wald. Den Vordergrund bildet ein Teil einer Felsenhöhle, die sich links tiefer nach innen zieht, nach rechts aber gegen drei Vierteile der Bühne einnimmt. Zwei natürlich gebildete Eingänge stehen dem Walde zu offen: der eine nach rechts, unmittelbar im Hintergrunde, der andere, breitere, ebenda seitwärts. An der Hinterwand, nach links zu, steht ein grosser Schmiedeherd, aus Felsstücken natürlich geformt; künstlich ist nur der grosse Blasebalg: die rohe Esse geht - ebenfalls natürlich - durch das Felsendach hinauf. Ein sehr grosser Amboss und andre Schmiedegerätschaften.

Mime
 

Zwangvolle Plage!

Mime
<- Siegfried

Hoiho! Hoiho!

Mime
Siegfried ->

Halte! Halte! Wohin?

Mime
<- Wanderer

Heil dir, weiser Schmied!

Mime
Wanderer ->

Verfluchtes Licht!

Mime
<- Siegfried

Heda! Du Fauler!

Er schmiedet das Schwert

 

Siegfried
Hoho! Hahei!

Er schafft sich ein scharfes Schwert

 

Den der Bruder schuf

 
Vorspiel und Erste Szene Zweite Szene Dritte Szene
Wald. Den Vordergrund bildet ein Teil einer Felsenhöhle, die sich links tiefer nach innen zieht, nach rechts... Tiefer Wald. Ganz im Hintergrunde die Öffnung einer Höhle. Der Boden hebt sich bis zur Mitte der Bühne, wo... Wilde Gegend. Am Fusse eines Felsenberges, welcher links nach hinten steil aufsteigt. Nacht. Ganz die gleiche Szene wie im dritten Aufzug der "Walküre".
Zweiter Aufzug Dritter Aufzug

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