Zweiter Aufzug

 

Erster Auftritt

Ein dunkler, unterirdischer Kerker.
Links ist eine mit Steinen und Schutt bedeckte Zisterne. Im Hintergrund mehrere mit Gitterwerk verwahrte Öffnungen in der Mauer, durch welche man die Stufen einer herunterführenden Treppe sieht. Rechts die letzten Stufen und die Tür in das Gefängnis. Eine Lampe brennt.
Florestan sitzt auf einem Stein, um den Leib hat er eine lange Kette, deren Ende in der Mauer befestigt ist.

 Q 

Florestan

 
[Nr. 11 - Rezitativ und Arie]

 N 

 

FLORESTAN

Gott! Welch Dunkel hier! O grauenvolle Stille!  

Öd' ist es um mich her. Nichts lebet ausser mir.

O schwere Prüfung! - Doch gerecht ist Gottes Wille!

Ich murre nicht! Das Mass der Leiden steht bei dir.

 

In des Lebens Frühlingstagen    

Ist das Glück von mir geflohn!

Wahrheit wagt ich kühn zu sagen,

Und die Ketten sind mein Lohn.

Willig duld' ich alle Schmerzen,

Ende schmählich meine Bahn;

Süsser Trost in meinem Herzen:

Meine Pflicht hab' ich getan!

(in einer an Wahnsinn grenzenden, jedoch ruhigen Begeisterung)

Und spür' ich nicht linde, sanft säuselnde Luft?

Und ist nicht mein Grab mir erhellet?

Ich seh', wie ein Engel im rosigen Duft

Sich tröstend zur Seite mir stellet,

Ein Engel, Leonoren, der Gattin, so gleich,

Der führt mich zur Freiheit ins himmlische Reich.

(Er sinkt erschöpft von der letzten Gemütsbewegung auf den Felsensitz nieder, seine Hände verhüllen sein Gesicht.)

S

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Zweiter Auftritt

Florestan, Rocco und Leonore, die man durch die Öffnungen bei dem Schein einer Laterne die Treppe herabsteigen sah, tragen einen Krug und Werkzeuge zum Graben. Die Hintertür öffnet sich und das Theater erhellt sich zur Hälfte.

<- Rocco, Leonore

 
[Nr. 12 - Melodram und Duett]

 N 

 

LEONORE

(halblaut)  

Wie kalt ist es in diesem unterirdischen Gewölbe!

ROCCO

Das ist natürlich, es ist ja tief.

LEONORE

(sieht unruhig nach allen Seiten umher)

Ich glaubte schon, wir würden den Eingang gar nicht finden.

ROCCO

(sich gegen Florestans Seite wendend)

Da ist er.

LEONORE

(mit gebrochener Stimme, indem sie den Gefangenen zu erkennen sucht.)

Er scheint ganz ohne Bewegung.

ROCCO

Vielleicht ist er tot.

LEONORE

(schaudernd.)

Meint Ihr?

(Florestan macht eine Bewegung.)

ROCCO

Nein, nein, er schläft. - Das müssen wir benutzen und gleich ans Werk gehen; wir haben keine Zeit zu verlieren.

LEONORE

(beiseite)

Es ist unmöglich, seine Züge zu unterscheiden. - Gott steh mir bei, wenn er es ist!

ROCCO

(setzt seine Laterne auf die Trimmer.)

Hier, unter diesen Trimmern ist die Zisterne, von der ich dir gesagt habe. - Wir brauchen nicht viel zu graben, um an die Öffnung zu kommen. Gib mir eine Haue, und du, stelle dich hierher.

(Er steigt bis an den Gürtel in die Höhlung hinab, stellt den Krug und legt den Schlüsselbund neben sich. Leonore steht am Rande und reicht ihm die Haue.

Du zitterst, fürchtest du dich?

LEONORE

(mit erzwungener Festigkeit des Tones.)

O nein, es ist nur so kalt.

ROCCO

(rasch)

So mache fort, im Arbeiten wird dir schon warm werden.

(Rocco fängt gleich mit dem Vorspiel an zu arbeiten; währenddessen benutzt Leonore die Momente, wo sich Rocco bückt, um den Gefangenen zu betrachten. Das Duett wird durchaus halblaut gesungen.)
 

ROCCO

(mit halblauter Stimme während der Arbeit.)

Nur hurtig fort, nur frisch gegraben,  

Es währt nicht lang', er kommt herein.

Beide

LEONORE

(ebenfalls arbeitend.)

Ihr sollt ja nicht zu klagen haben,

Ihr sollt gewiss zufrieden sein.

 

ROCCO

(einen grossen Stein hebend.)

Komm, hilf doch diesen Stein mir heben -

Hab' acht! - Hab' acht! Er hat Gewicht!

LEONORE

(hilft heben.)

Ich helfe schon - sorgt Euch nicht;

Ich will mir alle Mühe geben.

ROCCO

Ein wenig noch!

LEONORE

Geduld!

ROCCO

Er weicht.

LEONORE

Nur etwas noch!

ROCCO

Es ist nicht leicht!

(Sie lassen den Stein über die Trümmer rollen und holen Atem.)

 

(weiterarbeitend.)

Nur hurtig fort, nur frisch gegraben,

Es währt nicht lang', er kommt herein.

LEONORE

Lasst mich nur wieder Kräfte haben,

Wir werden bald zu Ende sein.

(Sie sucht den Gefangenen zu betrachten; für sich.)

Wer du auch seist, ich will dich retten,

Bei Gott! Du sollst kein Opfer sein!

Gewiss, ich löse deine Ketten,

Ich will, du Armer, dich befrein.

ROCCO

(sich schnell aufrichtend.)

Was zauderst du in deiner Pflicht?

LEONORE

(fängt wieder an zu arbeiten.)

Mein Vater, nein, ich zaudre nicht.

ROCCO

Nur hurtig fort, nur frisch gegraben,

Es währt nicht lang', so kommt er her.

LEONORE

Ihr sollt ja nicht zu klagen haben,

Lasst mich nur wieder Kräfte haben,

Denn mir wird keine Arbeit schwer.

(Rocco trinkt. Florestan erholt sich und hebt das Haupt in die Höhe, ohne sich nach Leonore zu wenden.)
 

LEONORE

Er erwacht!  

ROCCO

(plötzlich im Trinken einhaltend.)

Er erwacht, sagst du?

LEONORE

(in grösster Verwirrung immer nach Florestan sehend.)

Ja, er hat eben den Kopf gehoben.

ROCCO

Ohne Zweifel wird er wieder tausend Fragen an mich stellen. Ich muss allein mit ihm reden. Nun hat er es bald überstanden.

(Er steigt aus der Grube.)

Steig du statt meiner hinab und räume noch so viel weg, dass man die Zisterne öffnen kann.

LEONORE

(steigt zitternd ein paar Stufen hinab.)

Was in mir vorgeht, ist unaussprechlich!

ROCCO

(nach einer kleinen Pause zu Florestan.)

Nun, Ihr habt wieder einige Augenblicke geruht?

FLORESTAN

Geruht? Wie fände ich Ruhe?

LEONORE

(für sich.)

Diese Stimme! - Wenn ich nur einen Augenblick sein Gesicht sehen könnte.

FLORESTAN

Werdet Ihr immer bei meinen Klagen taub sein, grausamer Mann?

(Mit den letzten Worten wendet er sein Gesicht gegen Leonore.)

LEONORE

(für sich.)

Gott! Er ist's!

(Sie fällt ohne Bewusstsein an den Rand der Grube.)

ROCCO

Was verlangt Ihr denn von mir? Ich vollziehe die Befehle, die man mir gibt; das ist mein Amt, meine Pflicht.

FLORESTAN

Sagt mir endlich einmal, wer ist Gouverneur dieses Gefängnisses?

ROCCO

(beiseite.)

Jetzt kann ich ihm ja ohne Gefahr genugtun.

(Zu Florestan.)

Der Gouverneur dieses Gefängnisses ist Don Pizarro.

FLORESTAN

Pizarro!

LEONORE

(sich allmählich erholend.)

O Barbar! Deine Grausamkeit gibt mir meine Kräfte wieder.

FLORESTAN

O schickt so bald als möglich nach Sevilla, fragt nach Leonore Florestan -

LEONORE

Gott! Er ahnt nicht, dass sie jetzt sein Grab gräbt!

FLORESTAN

Sagt ihr, dass ich hier in Ketten liege.

ROCCO

Es ist unmöglich, sag ich Euch. Ich würde mich ins Verderben stürzen, ohne Euch genützt zu haben.

FLORESTAN

Wenn ich denn verdammt bin, hier mein Leben zu enden, o so lasst mich nicht langsam verschmachten.

LEONORE

(springt auf und hält sich an der Mauer fest.)

O Gott! Wer kann das ertragen?

FLORESTAN

Aus Barmherzigkeit, gib mir nur einen Tropfen Wasser. Das ist ja so wenig.

ROCCO

(beiseite.)

Es geht mir wider meinen Willen zu Herzen.

LEONORE

Er scheint sich zu erweichen.

FLORESTAN

Du gibst mir keine Antwort?

ROCCO

Ich kann Euch nicht verschaffen, was Ihr verlangt. Alles, was ich Euch anbieten kann, ist ein Restchen Wein, das ich in meinem Kruge habe. - Fidelio!

LEONORE

(den Krug in grösster Eile bringend.)

Da ist er! Da ist er!

FLORESTAN

(Leonore betrachtend.)

Wer ist das?

ROCCO

Mein Schliesser und in wenigen Tagen mein Eidam.

(Er reicht Florestan den Krug.)

Trinkt! Es ist freilich nur wenig Wein, aber ich gebe ihn Euch gern.

(Zu Leonore.)

Du bist ja ganz in Bewegung?

LEONORE

(in grösster Verwirrung.)

Wer sollte es nicht sein? Ihr selbst, Meister Rocco -

ROCCO

Es ist wahr, der Mensch hat so eine Stimme...

LEONORE

Jawohl, sie dringt in die Tiefe des Herzens.

 
[Nr. 13 - Terzett]

 N 

FLORESTAN

Euch werde Lohn in bessern Welten,  

Der Himmel hat euch mir geschickt.

O Dank! Ihr habt mich süss erquickt;

Ich kann die Wohltat, ich kann sie nicht vergelten.

ROCCO

(leise zu Leonore, die er beiseite zieht.)

Ich lab' ihn gern, den armen Mann,

Es ist ja bald um ihn getan.

LEONORE

(für sich.)

Wie heftig pochet dieses

Es wogt in Freud' und scharfem Schmerz.

FLORESTAN

(für sich.)

Bewegt seh' ich den Jüngling hier,

Und Rührung zeigt auch dieser Mann.

O Gott, du sendest Hoffnung mir,

Dass ich sie noch gewinnen kann.

LEONORE

Die hehre, bange Stunde winkt,

Die Tod mir oder Rettung bringt.

ROCCO

Ich tu, was meine Pflicht gebeut,

Doch hass' ich alle Grausamkeit.

LEONORE

(leise zu Rocco, indem sie ein Stück Brot aus der Tasche zieht.)

Dies Stückchen Brot - ja, seit zwei Tagen

Trag' ich es immer schon bei mir.

ROCCO

Ich möchte gern, doch sag' ich dir,

Das hiesse wirklich zu viel wagen.

LEONORE

Ach!

(Schmeichelnd.)

Ihr labtet gern den armen Mann.

ROCCO

Das geht nicht an, das geht nicht an.

LEONORE

(wie vorhin.)

Es ist ja bald um ihn getan.

ROCCO

So sei es - ja, so sei's - du kannst es wagen.

LEONORE

(in grösster Bewegung Florestan das Brot reichend.)

Da, nimm das Brot - du armer Mann!

FLORESTAN

(Leonores Hand ergreifend und an sich drückend.)

O Dank dir, Dank! - O Dank! O Dank!

Euch werde Lohn in bessern Welten,

Der Himmel hat euch mir geschickt.

O Dank! Ihr habt mich süss erquickt,

Ich kann die Wohltat nicht vergelten.

ROCCO

Mich rührte oft dein Leiden hier,

Doch Hilfe war mir streng verwehrt.

(Für sich.)

Ich labt' ihn gern, den armen Mann,

Es ist ja bald um ihn getan.

Beide

LEONORE

Der Himmel schicke Rettung dir,

Dann wird mir hoher Lohn gewährt.

 

LEONORE

O mehr, als ich ertragen kann!

FLORESTAN

O dass ich euch nicht lohnen kann!

(Er isst das Brot.)

 

ROCCO

(nach augenblicklichem Stillschweigen zu Leonore.)  

Alles ist bereit. Ich gehe, das Signal zu geben.

(Er geht in den Hintergrund.)

LEONORE

O Gott, gib mir Mut und Stärke!

FLORESTAN

(zu Leonore während Rocco die Türen zu öffnen geht.)

Wo geht er hin?

(Rocco öffnet die Türen und gibt durch einen starken Pfiff das Zeichen.)

FLORESTAN

Ist das der Vorbote meines Todes?

LEONORE

(in der heftigsten Bewegung.)

Nein, nein! Beruhige dich, lieber Gefangener.

FLORESTAN

O meine Leonore! So soll ich dich nie wieder sehen?

LEONORE

(fühlt sich zu Florestan hingerissen und sucht diesen Trieb zu überwältigen.)

Mein ganzes Herz reisst mich zu ihm hin!

(Zu Florestan.)

Sei ruhig, sag ich dir! Vergiss nicht, was du auch hören und sehen magst, dass überall eine Vorsehung ist. - Ja, ja, es gibt eine Vorsehung!

(Sie entfernt sich gegen die Zisterne.)

 

Dritter Auftritt

Vorige. Pizarro, vermummt in einen Mantel.

<- Pizarro

 

PIZARRO

(zu Rocco, die Stimme verstellend.)  

Ist alles bereit?

ROCCO

Ja, die Zisterne braucht nur geöffnet zu werden.

PIZARRO

Gut, der Junge soll sich entfernen.

ROCCO

(zu Leonore.)

Geh, entferne dich!

LEONORE

(in grösster Verwirrung.)

Wer? - Ich? - Und Ihr?

ROCCO

Muss ich nicht dem Gefangenen die Eisen abnehmen? Geh, geh!

(Leonore entfernt sich in den Hintergrund und nähert sich allmählich wieder im Schatten gegen Florestan, die Augen immer auf Pizarro gerichtet.)

PIZARRO

(beiseite, einen Blick auf Rocco und Leonore werfend.)

Die muss ich mir noch heute beide vom Halse schaffen, damit alles verborgen bleibt.

ROCCO

(zu Pizarro.)

Soll ich ihm die Ketten abnehmen?

PIZARRO

Nein, aber schliesse ihn von dem Stein los.

(Beiseite.)

Die Zeit ist dringend.

(Er zieht einen Dolch.)

 
[Nr. 14 - Quartett]

 N 

 

Er sterbe! - Doch er soll erst wissen,  

Wer ihm sein stolzes Herz zerfleischt.

Der Rache Dunkel sei zerrissen,

Sieh' her! Du hast mich nicht getäuscht!

(Er schlägt den Mantel auf.)

Pizarro, den du stürzen wolltest,

Pizarro, den du fürchten solltest,

Steht nun als Rächer hier.

FLORESTAN

(gefasst)

Ein Mörder steht vor mir!

PIZARRO

Noch einmal ruf ich dir,

Was du getan, zurück;

Nur noch ein Augenblick

Und dieser Dolch -

(Er will Florestan durchbohren.)

LEONORE

(stürzt mit einem durchdringenden Schrei hervor und bedeckt Florestan mit ihrem Leibe.)

Zurück!

FLORESTAN

O Gott!

ROCCO

Was soll?

LEONORE

Durchbohren

Musst du erst diese Brust;

Der Tod sei dir geschworen

Für deine Mörderlust.

PIZARRO

(schleudert sie fort.)

Wahnsinniger!

ROCCO

(zu Leonore.)

Halt ein!

PIZARRO

Er soll bestrafet sein!

LEONORE

(noch einmal ihren Mann deckend.)

Töt' erst sein Weib!

ROCCO, PIZARRO

Sein Weib?

FLORESTAN

Mein Weib?

LEONORE

(zu Florestan.)

Ja, sieh' hier Leonore!

FLORESTAN

Leonore!

LEONORE

(zu den anderen.)

Ich bin sein Weib, geschworen

Hab' ich ihm Trost. Verderben dir!

PIZARRO

(zu Leonore.)

Welch unerhörter Mut!

FLORESTAN

(zu Leonore.)

Vor Freude starrt mein Blut!

ROCCO

(für sich.)

Mir starrt vor Angst mein Blut.

LEONORE

(für sich.)

Ich trotze seiner Wut!

PIZARRO

Soll ich vor einem Weibe beben?

LEONORE

Der Tod sei dir geschworen.

PIZARRO

So opfr' ich beide meinem Grimm.

(Er dringt wieder auf sie und Florestan ein.)

LEONORE

Durchbohren musst du erst diese Brust!

PIZARRO

Geteilt hast du mit ihm das Leben,

So teile nun den Tod mit ihm.

LEONORE

(ihm schnell eine Pistole vorhaltend.)

Noch einen Laut - und du bist tot!

(Man hört die Trompete von dem Turm.)

LEONORE

(hängt an Florestans Halse.)

Ach! Du bist gerettet! Grosser Gott!

PIZARRO

(betäubt.)

Ha! Der Minister! Höll' und Tod!

Beide

FLORESTAN

Ach! Ich bin gerettet! Grosser Gott!

ROCCO

(betäubt.)

O was ist das! Gerechter Gott!

 

Vierter Auftritt

Vorige. Jaquino. Soldaten mit Fackeln erscheinen an der obersten Gitteröffnung der Treppe.

<- Jaquino, Soldaten

 

JAQUINO

Vater Rocco! Der Herr Minister kommt an. Sein Gefolge ist schon vor dem Schlosstor.  

ROCCO

(freudig und überrascht, für sich.)

Gelobt sei Gott!

(Zu Jaquino sehr laut.)

Wir kommen - ja, wir kommen augenblicklich. Und diese Leute mit Fackeln sollen heruntersteigen und den Herrn Gouverneur hinaufbegleiten.

(Die Soldaten kommen bis an die Tür herunter. Jaquino geht ab.)

Jaquino ->

 
[Nr. 14 - Quartett - (Forts)]

 N 

LEONORE

Es schlägt der Rache Stunde.  

Du sollst gerettet sein;

Die Liebe wird im Bunde

Mit Mute dich befrein.

PIZARRO

Verflucht sei diese Stunde!

Die Heuchler spotten mein;

Verzweiflung wird im Bunde

Mit meiner Rache sein.

Beide

FLORESTAN

Es schlägt der Rache Stunde.

Ich soll gerettet sein;

Die Liebe wird im Bunde

Mit Mute mich befrein.

ROCCO

O fürchterliche Stunde!

O Gott, was wartet mein?

Ich will nicht mehr im Bunde

Mit diesem Wütrich sein.

(Pizarro stürzt ab. Rocco gibt im Abgehen Leonore beruhigende Winke. Soldaten mit Fackeln vorauf.)

Pizarro, Rocco, Soldaten ->

 

Fünfter Auftritt

Leonore, Florestan.

 

FLORESTAN

Meine Leonore! Geliebtes Weib! Engel, den Gott wie ein Wunder zu meiner Rettung mir gesendet, lass an dies Herz dich drücken.  

(Umarmung.)

Aber dürfen wir noch hoffen?

LEONORE

Wir dürfen es. Die Ankunft des Ministers, den wir kennen, Pizarros Verwirrung und vor allem Vater Roccos tröstende Zeichen sind mir ebenso viele Gründe, zu glauben, unser Leiden sei am Ziele und die Zeit unseres Glückes wolle beginnen.

FLORESTAN

Sprich, wie kamst du hierher?

LEONORE

(schnell.)

Ich verliess Sevilla, ich kam zu Fuss in Manneskleidern, der Kerkermeister nahm mich in seine Dienste, dein Verfolger selbst machte mich zum Schliesser.

FLORESTAN

Treues Weib! Frau ohnegleichen! Was hast du meinetwegen erduldet!

LEONORE

Nichts, mein Florestan! Meine Seele war mit dir; wie hätte der Körper sich nicht stark gefühlt, indem er für sein besseres Selbst kämpfte?

 
[Nr. 15 - Duett]

 N 

 

O namenlose Freude!  

Mein Mann an meiner Brust!

FLORESTAN

O namenlose Freude!

An Leonorens Brust!

LEONORE UND FLORESTAN

Nach unnennbarem Leide

So übergrosse Lust!

LEONORE

Du wieder nun in meinen Armen!

FLORESTAN

O Gott, wie gross ist dein Erbarmen!

LEONORE

Mein Mann, mein Mann, an meiner Brust!

O dank dir, Gott, für diese Lust!

Beide

FLORESTAN

Mein Weib, mein Weib, an meiner Brust!

O dank dir, Gott, für diese Lust!

 

FLORESTAN

Du bist's!

LEONORE

Ich bin's!

FLORESTAN

O himmlisches Entzücken! Leonore!

LEONORE

Florestan!

LEONORE UND FLORESTAN

O namenlose Freude!

Nach unnennbarem Leide

So übergrosse Lust!

 

Sechster Auftritt

Vorige. Rocco.

<- Rocco

 

ROCCO

(hereinstürzend.)  

Gute Botschaft, ihr armen Leidenden! Der Herr Minister hat eine Liste aller Gefangenen mit sich; alle sollen ihm vorgeführt werden. Jaquino öffnet die oberen Gefängnisse.

(Zu Florestan.)

Ihr allein seid nicht erwähnt. Euer Aufenthalt hier ist eine Eigenmächtigkeit des Gouverneurs. Kommt, folgt mir hinauf. Auch Ihr, gnädige Frau. Und gibt Gott meinen Worten Kraft und lohnt er die Heldentat der edelsten Gattin, so werdet Ihr frei, und Euer Glück ist mein Werk.

FLORESTAN

Leonore!

LEONORE

Durch welche Wunder!

ROCCO

Fort, zögert nicht! Oben werdet ihr alles erfahren. Auch diese Fesseln behaltet noch. Gott gebe, dass sie Euch Mitleid erflehen und dem Grausamen angelegt werden, der Euch so viele Leiden bereitete.

(Alle drei ab.)

Rocco, Leonore, Florestan ->

 
 

Siebenter Auftritt

Paradeplatz des Schlosses mit der Statue des Königs.
Die Schlosswachen marschieren auf und bilden ein offenes Viereck. Dann erscheint von der Seite der Minister Don Fernando, von Pizarro und Offizieren begleitet. Volk eilt herzu. Von der andern Seite treten, von Jaquino und Marzelline geführt, die Staatsgefangenen ein, die vor Fernando niederknien.

 Q 

(kein)

<- Schlosswachen, Fernando, Pizarro, Offizieren, Volk, Jaquino, Marzelline, Staatsgefangenen

 
[Nr. 16 - Finale]

 N 

CHOR DER GEFANGENEN UND DES VOLKES

Heil sei dem Tag, Heil sei der Stunde,    

Die lang ersehnt, doch unvermeint,

Gerechtigkeit mit Huld im Bunde

Vor unsres Grabes Tor erscheint!

S

FERNANDO

Des besten Königs Wink und Wille

Führt mich zu euch, ihr Armen, her,

Dass ich der Frevel Nacht enthülle,

Die all umfangen schwarz und schwer.

Nein, nicht länger knieet sklavisch nieder,

(Die Gefangenen stehen auf.)

 

Tyrannenstrenge sei mir fern.

Es sucht der Bruder seine Brüder,

Und kann er helfen, hilft er gern.

CHOR

Heil sei dem Tag, Heil sei der Stunde!

FERNANDO

(wiederholt.)

Es sucht der Bruder seine Brüder,

Und kann er helfen, hilft er gern.

 

Achter Auftritt

Vorige. Rocco, durch die Wachen dringend, hinter ihm Leonore und Florestan.

<- Rocco, Leonore, Florestan

 

ROCCO

Wohlan, so helfet! Helft den Armen!  

PIZARRO

Was seh ich? Ha!

ROCCO

(zu Pizarro.)

Bewegt es dich?

PIZARRO

(zu Rocco.)

Fort! fort!

FERNANDO

(zu Rocco.)

Nein, rede!

ROCCO

All Erbarmen

Vereine diesem Paare sich.

(Florestan vorführend.)

Don Florestan -

FERNANDO

(staunend.)

Der Totgeglaubte,

Der Edle, der für Wahrheit stritt?

ROCCO

Und Qualen ohne Zahl erlitt.

FERNANDO

Mein Freund! Mein Freund! Der Totgeglaubte? -

Gefesselt, bleich steht er vor mir.

ROCCO UND LEONORE

Ja, Florestan, Ihr seht ihn hier.

ROCCO

(Leonore vorstellend.)

Und Leonore -

FERNANDO

(noch mehr betroffen.)

Leonore?

ROCCO

Der Frauen Zierde führ ich vor.

Sie kam hierher -

PIZARRO

Zwei Worte sagen -

FERNANDO

Kein Wort!

(Zu Rocco.)

Sie kam -

ROCCO

dort an mein Tor

Und trat als Knecht in meine Dienste

Und tat so brave, treue Dienste,

Dass ich - zum Eidam sie erkor.

MARZELLINE

O weh mir, was vernimmt mein Ohr!

ROCCO

Der Unmensch wollt' in dieser Stunde

Vollziehn an Florestan den Mord.

PIZARRO

(in grösster Wut.)

Vollziehn mit ihm!

ROCCO

(auf sich und Leonore zeigend.)

Mit uns im Bunde!

(Zu Fernando.)

Nur Euer Kommen rief ihn fort.

CHOR

(sehr lebhaft.)

Bestrafet sei der Bösewicht,

Der Unschuld unterdrückt.

Gerechtigkeit hält zum Gericht

Der Rache Schwert gezückt.

(Pizarro wird auf einen Wink Fernandos von der Wache abgeführt.)

Pizarro, Schlosswachen ->

 

FERNANDO

(zu Rocco.)

Du schlossest auf des Edlen Grab,

Jetzt nimm ihm seine Ketten ab -

Doch halt! - Euch, edle Frau, allein,

Euch ziemt es, ganz ihn zu befrein.

LEONORE

(nimmt die Schlüssel, löst in grösster Bewegung Florestan die Ketten ab; er sinkt in Leonores Arme.)

O Gott! - Welch ein Augenblick!

FLORESTAN

O unaussprechlich süsses Glück!

FERNANDO

Gerecht, o Gott, ist dein Gericht!

MARZELLINE UND ROCCO

Du prüfest, du verlässt uns nicht.

ALLE

O Gott! o welch ein Augenblick!

O unaussprechlich süsses Glück!

Gerecht, o Gott, ist dein Gericht,

Du prüfest, du verlässt uns nicht!

CHOR

Wer ein holdes Weib errungen,

Stimm' in unsern Jubel ein!

Nie wird es zu hoch besungen,

Retterin des Gatten sein.

FLORESTAN

Deine Treu' erhielt mein Leben,

Tugend schreckt den Bösewicht.

LEONORE

Liebe führte mein Bestreben,

Wahre Liebe fürchtet nicht.

CHOR

Preist mit hoher Freude Glut

Leonorens edlen Mut.

FLORESTAN

(vortretend und auf Leonore weisend.)

Wer ein solches Weib errungen,

Stimm' in unsern Jubel ein!

Nie wird es zu hoch besungen,

Retterin des Gatten sein.

LEONORE

(ihn umarmend.)

Liebend ist es mir gelungen,

Dich aus Ketten zu befrein.

Liebend sei es hoch besungen:

Florestan ist wieder mein!

CHOR

Wer ein holdes Weib errungen,

Stimm' in unsern Jubel ein!

Nie wird es zu hoch besungen,

Retterin des Gatten sein.

LEONORE

Liebend sei es hoch besungen:

Florestan ist wieder mein!

Beide

ALLE ÜBRIGEN

Nie wird es zu hoch besungen,

Retterin des Gatten sein.

 
 

Ende (Zweiter Aufzug)

Erster Aufzug Zweiter Aufzug

Ein dunkler, unterirdischer Kerker. Links ist eine mit Steinen und Schutt bedeckte Zisterne. Im Hintergrund mehrere mit Gitterwerk verwahrte Öffnungen in der Mauer, durch welche man die Stufen einer herunterführenden Treppe sieht. Rechts die letzten Stufen und die Tür in das Gefängnis. Eine Lampe brennt.

Florestan
 

[Nr. 11 - Rezitativ und Arie]

Gott! Welch Dunkel hier!

Florestan
<- Rocco, Leonore

[Nr. 12 - Melodram und Duett]

Wie kalt ist es in diesem unterirdischen Gewölbe!

Er erwacht! / Er erwacht, sagst du?

[Nr. 13 - Terzett]

Florestan, Rocco, Leonore
Euch werde Lohn in bessern Welten

Alles ist bereit. Ich gehe, das Signal zu geben

Florestan, Rocco, Leonore
<- Pizarro

Ist alles bereit?

[Nr. 14 - Quartett]

Pizarro, Florestan, Leonore, Rocco
Er sterbe! Doch er soll erst wissen
Florestan, Rocco, Leonore, Pizarro
<- Jaquino, Soldaten

Vater Rocco! Der Herr Minister kommt an

Florestan, Rocco, Leonore, Pizarro, Soldaten
Jaquino ->

[Nr. 14 - Quartett - (Forts)]

Leonore, Florestan, Pizarro, Rocco
Es schlägt der Rache Stunde
Florestan, Leonore
Pizarro, Rocco, Soldaten ->

Meine Leonore! Geliebtes Weib!

[Nr. 15 - Duett]

Leonore, Florestan
O namenlose Freude!
Florestan, Leonore
<- Rocco

Gute Botschaft, ihr armen Leidenden!

Rocco, Leonore, Florestan ->

Paradeplatz des Schlosses mit der Statue des Königs.

 
<- Schlosswachen, Fernando, Pizarro, Offizieren, Volk, Jaquino, Marzelline, Staatsgefangenen

[Nr. 16 - Finale]

Schlosswachen, Fernando, Pizarro, Offizieren, Volk, Jaquino, Marzelline, Staatsgefangenen
<- Rocco, Leonore, Florestan
Fernando, Offizieren, Volk, Jaquino, Marzelline, Staatsgefangenen, Rocco, Leonore, Florestan
Pizarro, Schlosswachen ->
 
 
Erster Auftritt Zweiter Auftritt Dritter Auftritt Vierter Auftritt Fünfter Auftritt Sechster Auftritt Siebenter Auftritt Achter Auftritt
Der Hof des Staatsgefängnisses. Im Hintergrunde das Haupttor und eine hohe Wallmauer, über... Ein dunkler, unterirdischer Kerker. Links ist eine mit Steinen und Schutt bedeckte Zisterne.... Paradeplatz des Schlosses mit der Statue des Königs.
[Ouvertüre] [Nr. 1 - Duett] [Nr. 2 - Arie] [Nr. 3 - Quartett] [Nr. 4 - Arie] [Nr. 5 - Terzett] [Nr. 6 - Marsch] [Nr. 7 - Arie mit Chor] [Nr. 9 - Rezitativ und Arie] [Nr. 10 - Finale] [Nr. 11 - Rezitativ und Arie] [Nr. 12 - Melodram und Duett] [Nr. 13 - Terzett] [Nr. 14 - Quartett] [Nr. 14 - Quartett - (Forts)] [Nr. 15 - Duett] [Nr. 16 - Finale]
Erster Aufzug

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